OECD warnt vor steigenden Risiken
Die internationale Organisation fordert die Regierungen angesichts zunehmender Gefahren für das Wirtschaftswachstum zu verstärkter Zusammenarbeit auf. Da die Zentralbanken kaum noch Spielraum haben, empfiehlt sie den Staaten, steuerliche Möglichkeiten zu nutzen.wü Paris – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt vor steigenden Risiken für die globale Wirtschaft. Dabei gehören längerfristig höhere Handelszölle zwischen den USA und China zusammen mit anderen eskalierenden Handelskonflikten und Schwachstellen im Finanzsystem mit zu den größten Gefahren. “Die anfällige Weltwirtschaft wird durch Handelsspannungen destabilisiert”, sagte Chefökonomin Laurence Boone Dienstag bei der Vorstellung des jüngsten Wirtschaftsausblicks der OECD. “Das Wachstum stabilisiert sich, doch die Wirtschaft ist schwach und es sind ernstzunehmende Risiken am Horizont.”Diese Gefahren könnten die Weltwirtschaft weiter schwächen, indem sie Vertrauen und Investitionen untergraben, mahnen die Experten der internationalen Organisation. Sie senkten nun bereits zum zweiten Mal innerhalb von sieben Monaten die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr. Die weltweite Wirtschaft dürfte ihrer Meinung nach nur um 3,2 % zulegen. Im März war die OECD noch von einem Anstieg von 3,3 % ausgegangen, im November sogar noch von 3,5 %. “Die Aussichten sind weiterhin trübe”, urteilt Chefökonomin Boone. Schwächeres WachstumFür das kommende Jahr rechnet sie unverändert mit einem Wachstum von 3,4 %. “Sollten Abwärtsrisiken eintreten oder sich gegenseitig verstärken, könnte das Wachstum jedoch deutlich schwächer ausfallen als hier unterstellt”, warnte Boone. Allein die neuen Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China könnten das globale Wachstum über zwei bis drei Jahre um mehr als 0,6 % nach unten drücken. Die von den USA und China letztes Jahr auferlegten Zölle würden das Wachstum bereits bremsen, heißt es in dem Bericht. Sie dürften den weltweiten Handel 2021 um 0,4 % senken. Der weltweite Handel dürfte in diesem Jahr angesichts der zunehmenden Spannungen und Konflikte nur um etwas mehr als 2 % zulegen. Das wäre die niedrigste Wachstumsrate seit einem Jahrzehnt.Zwar hoben die OECD-Experten jetzt für einige Länder wie Deutschland und die USA die Prognosen leicht an, doch insgesamt gaben sie sich eher pessimistisch. Die deutsche Wirtschaft dürfte ihrer Ansicht nach nächstes Jahr 1,2 % statt der zuletzt vorhergesagten 1,1 % zulegen. Für die Eurozone erhöhten sie die Wachstumsprognosen für 2019 wieder von 1 % auf 1,2 % und für 2020 von 1,2 % auf 1,4 %, für die Vereinigten Staaten von 2,6 % auf 2,8 % im laufenden Jahr und für 2020 von 2,2 % auf 2,3 %.Für Japan, Kanada und andere Länder senkten sie dagegen die Aussichten. So droht der Türkei laut OECD in diesem Jahr ein noch tieferer Konjunktureinbruch als zunächst gedacht. Die Wirtschaft dürfte um 2,6 % und nicht nur um 1,8 % wie bisher erwartet schrumpfen, meint die Organisation. Investoren seien nach den Kommunalwahlen verunsichert. Das dürfte auch die Wachstumsaussichten für das nächste Jahr beeinträchtigen.Für China dagegen ließ Boone die Wachstumsprognosen unverändert bei 6,2 % für dieses und 6 % für das nächste Jahr. In dem Bericht warnt Boone jedoch auch davor, dass eine wesentlich stärkere Abkühlung der chinesischen Konjunktur erhebliche negative Auswirkungen auf die globale Wirtschaft und den weltweiten Handel haben dürfte, da China inzwischen wesentlich stärkere Handels- und Finanzbeziehungen mit anderen Ländern unterhalte als noch vor ein paar Jahren.Da viele Zentralbanken inzwischen nicht mehr viel Spielraum für finanzielle Anreize haben, appelliert sie an die Regierungen, zusammenzuarbeiten und auch alle steuerlichen Spielräume zu nutzen, die sich ihnen bieten. Sie müssten alle ihnen zur Verfügung stehenden politischen Instrumente nutzen, forderte Boone. Angesichts der internationalen Arbeitsteilung mit Produktionsketten über die Ländergrenzen hinweg müssten multilaterale Handelsgespräche wiederaufgenommen werden. Wo die Nachfrage schwach sei, etwa in der Eurozone, sollten Regierungen mit relativ niedriger Verschuldung die niedrigen Zinssätze nutzen und ihre Verschuldung zwecks Konjunkturstützung ausweiten, empfiehlt die Chefökonomin der OECD.Sie empfahl Deutschland, die öffentlichen Investitionen zu erhöhen. Denn höhere Investitionsziele würden das Wirtschaftswachstum langfristig stärken und die Inlandsnachfrage im gegenwärtigen Abschwung stützen. Es seien zwar höhere Investitionen in Kinderbetreuungs-, Verkehrs- und Digital-Infrastruktur sowie zusätzliche Mittel für Bildung, Forschung und Innovation geplant, doch die Infrastrukturausgaben lägen noch immer unter dem Schnitt anderer Länder aus der Eurozone.