Konjunktur

Ökonomen kappen Prognosen für Deutschland

Der Ukraine-Krieg hat die Vorzeichen für die Wirtschaft Deutschlands und der Eurozone radikal verändert. Deutschlands Exporte waren schon vor Kriegsausbruch rückläufig.

Ökonomen kappen Prognosen für Deutschland

rec Frankfurt

Angesichts des Kriegs in der Ukraine trüben sich die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft stark ein. Etliche Ökonomen haben ihre Prognosen in Reaktion auf die Invasion Russlands in der Ukraine und die darauffolgenden Sanktionen des Westens heruntergeschraubt. Die deutschen Exporte waren indes schon vor Kriegsbeginn unerwartet rückläufig – und der Industrieverband DIHK stellt sich nun auf ein „dunkles Jahr“ ein.

Russlands anhaltender Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Vorzeichen für die Wirtschaft Deutschlands und der Eurozone radikal verändert. Überwog bei Ökonomen und Notenbankern bis vor kurzem noch Konjunkturzuversicht, nehmen nun täglich die Sorgen vor einem heftigen Dämpfer zu. Zugleich werden die Folgen des Kriegs die ohnehin rekordhohe Inflation treiben. Dieses Dilemma wird auch die EZB-Ratssitzung nächsten Donnerstag prägen.

Mit Spannung sind die neuen Prognosen des EZB-Stabs zu erwarten. Erste Volkswirte von Banken, Forschungsinstituten und Ratingagenturen haben ihre Prognosen bereits gekappt – zum Teil drastisch. Die Ökonomen der DekaBank haben ihre Wachstumsprognose für Deutschland nahezu halbiert: Sie erwarten dieses Jahr nur noch 1,7% Wachstum, nicht mehr 3,3%. Die Abwärtsrisiken bei weiteren Eskalationen halten sie für beträchtlich: „Ein abruptes Aussetzen von Rohstofflieferungen (Erdgas, Rohöl und Industriemetalle) könnte in Westeuropa eine kurzzeitige Rezession auslösen.“ Mit einer Rezession in Deutschland zu Jahresbeginn rechnet – trotz Coronalockerungen – beispielsweise ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski, nachdem die Wirtschaftsleistung bereits im vierten Quartal minimal geschrumpft ist. „In jedem Fall haben wir ein großes Stagflationsrisiko­“, sagte Brzeski. Gemeint ist eine Mischung aus wirtschaftlicher Stagnation bei gleichzeitig hoher Inflation.

Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, spricht von der „größten Gefahr für die globale Sicherheit seit der Kubakrise 1962“. Die Abwärtsrevision seiner Volkswirte für Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (auf 2,8%) fällt mit 1 Prozentpunkt indes moderater aus als bei der Deka. Die DZ Bank hat ihre Vorhersage für das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr von 3,0 auf 1,9% gesenkt, die Ratingagentur Scope von 4,4 auf 3,5%.

Pessimistische Töne sind mit Blick auf Konsumenten und auch Exporteure zu vernehmen. Die Ökonomen der Allianz haben berechnet, dass Haushalte in Europa 2022 mindestens 30% mehr für ihre Stromrechnung zahlen müssen. Das werde die durchschnittliche Kaufkraft um 1,5 Prozentpunkte schmälern. „Für mehr als die Hälfte der Haushalte reichen die überschüssigen Ersparnisse nicht aus, um die Einkommenseinbußen durch höhere Energierechnungen aufzufangen“, heißt es in der Studie.

Im Außenhandel macht das Russland-Geschäft laut Capital Economics 1,8% der deutschen Industrie-Wertschöpfung aus. Dies werde wohl fast vollständig wegfallen. „Das ist nicht gerade ein Klacks“, meint Capital-Ökonomin Jessica Hinds. Ein Rückschlag war im Außenhandel schon im Januar zu verzeichnen: Die Exporte sanken laut Statistischem Bundesamt um 2,8% zu Dezember, die Importe sogar um 4,2%. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat sich von seiner Exportprognose von +6% verabschiedet. „Es kann sogar sein, dass der preisbereinigte Export in negative Zonen abrutscht“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

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