Ökonomen: Brexit lässt Löhne steigen
Von Andreas Hippin, LondonDer erste gemeinsame Auftritt der “Economists for Brexit” hat in den britischen Medien nicht viel Widerhall gefunden. Vor dem Hintergrund, dass die Debatte über den EU-Austritt vor allem mit wirtschaftlichen Argumenten geführt wird, ist das erstaunlich. Zumal den Brüsselgegnern immer wieder vorgeworfen wurde, bei ihren Einlassungen die Ökonomie außen vor zu lassen. Bei der “Achterbande”, wie sie in der “Times” genannt wurde, handelt es sich nicht gerade um intellektuelle Leichtgewichte. Patrick Minford, der inzwischen an der Universität von Cardiff lehrt, beriet einst Margaret Thatcher. Gerald Lyons verbrachte mehr als ein Vierteljahrhundert als Bankvolkswirt in der City of London, bevor er Chief Economic Adviser des Bürgermeisters der britischen Metropole wurde. Roger Bootle ist Chairman von Capital Economics, Ryan Bourne fungiert als Head of Public Policy des Institute of Economic Affairs. Auch die restlichen vier müssen sich mit ihren Lebensläufen nicht verstecken. Wachstum und InflationAus ihrer Sicht wäre ein Austritt aus der EU unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für Großbritannien besser als ein Verbleib in der Staatengemeinschaft. Stimme eine Mehrheit beim Referendum am 23. Juni für einen Brexit, könnten die Löhne steigen, die Verbraucherpreise sinken und die Wirtschaft langfristig gesehen stärker wachsen. “Innerhalb der Union zahlen die Verbraucher höhere Preise”, sagte Minford. Als Beispiele nennen die Ökonomen unter anderem Lebensmittel, aber auch Autos oder Möbel. Während von der Confederation of British Industry über die Industrieländerorganisation OECD bis hin zum Schatzamt sämtliche etablierten Institutionen für diesen Fall mit einer zum Teil erheblichen Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts rechnen, haben die “Economists for Brexit” eine Expansion um bis zu 4 % für die kommenden 10 bis 15 Jahre angesetzt.Die Währung würde geschwächt. Der Preisauftrieb würde das von der Bank of England gesetzte Inflationsziel von 2 % erreichen, und die Notenbank könnte endlich den Ausstieg aus den während der Finanzkrise ergriffenen geldpolitischen Notstandsmaßnahmen in Angriff nehmen.Um mit Kunden in den Staaten der EU Geschäfte zu machen, müsse man kein Mitglied dieses protektionistischen Blocks sein, sondern könne auf Grundlage der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) Handel treiben – wie China, Japan und die Vereinigten Staaten. Dabei könne man die Zollschranken einseitig senken. Dadurch befreie man sich davon, ein Abkommen mit der EU aushandeln zu müssen.Die City of London werde dank des Könnens, des Wissens und der Erfahrung der dort Beschäftigten ihre Rolle als führendes Finanzzentrum der Welt auch jenseits der EU verteidigen können. Großbritannien zahle netto mehr in den EU-Haushalt ein, als es aus Brüssel bekomme, hätte also im Falle eines Austritts Geld übrig, das anderenorts sinnvoller eingesetzt werden könnte. Die britischen Bauern könne man auch direkt subventionieren. Weitere Vorteile des Austritts lägen darin, dass man sich die Zuwanderer aussuchen könne, die man haben wolle. Großbritannien wäre künftig nicht mehr an die Sozialcharta gebunden, auch nicht an irgendwelche Klimaschutzvorgaben. Das Land müsste die “Anti-Finanz-Agenda” Brüssels dann ebenso wenig mittragen wie die “korporatistische Unterstützung großer EU-Unternehmen”.Noch deuten Meinungsumfragen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin.