Pflichtbeitrag für die kapitalgedeckte Rente
wf Berlin
Vermögensaufbau über den Kapitalmarkt könnte die Sicherung der sozialen Alterssicherungssysteme erheblich erleichtern. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium in seiner neuesten Stellungnahme. Die unabhängig agierenden Wissenschaftler beschäftigen sich darin mit der kapitalgedeckten Altersvorsorge und deren möglicher Ausgestaltung. „Wenn der Staat sich aus dem Samariterdilemma befreien will, braucht man einen Pflichtbeitrag, der am besten in ein klar definiertes, breit diversifiziertes Portfolio fließt“, sagte Beiratsvorsitzender Marcel Thum, Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden und Professor für Finanzwissenschaft an der dortigen TU, der Börsen-Zeitung. „Da kann es ein staatlich gemanagtes Standardprodukt geben.“ Die Wissenschaftler raten zur Möglichkeit eines Opt-out in eine „begrenzte Zahl von zertifizierten, ähnlich breit gestreuten Anlageprodukten“, die ihre Kosten transparent ausweisen. Unter dem Samariterdilemma versteht man den politschen Druck, bei einem Teil der alten Bevölkerung mit geringem Lebensstandard deren Renten staatlich aufzustocken. Ausreichende Kapitalbildung während der Lebensarbeitszeit kann dies verhindern.
Das Gutachten ist Rückenwind für das FDP-geführte Finanzressort. „Ziel des Bundesfinanzministeriums ist es, die Chancen des Kapitalmarkts zu nutzen, um die Altersvorsorge auf die Zukunft vorzubereiten“, erklärte der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) bei der Übergabe des Gutachtens in Berlin. Er begrüßte, dass der Beirat den finanziellen Druck auf das aktuelle System offenlege. Die Ampel-Koalition hatte 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart, 10 Mrd. Euro in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Kapitaldeckung bereitzustellen. Zudem will sie prüfen, ob die reformbedürftige Riester-Rente, aber auch das Betriebsrentensystem novelliert werden können. Das gesetzliche Rentenniveau soll nicht unter 48% fallen, verspricht die Ampel. Die Beiträge sollen nicht über 20% steigen. In den nächsten Jahren zeichnen sich bereits deutliche Beitragssteigerungen über den aktuellen Satz von 18,6% ab. Auch der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt steigt in den nächsten Jahren rasant, wie es die mittelfristige Planung des Ministeriums bis 2026 zeigt (siehe Grafik).
Verrentung des Kapitals
Die Wissenschaftler halten in ihrer Stellungnahme grundsätzlich fest, dass es gute Gründe für den Staat gebe, in die Vermögensbildung einzugreifen. Mit Blick auf die Kapitalbildung für Altersvorsorge sprechen sie sich klar für die Verrentung des angesammelten Kapitals aus, um es von der allgemeinen Vermögensbildung abzugrenzen. Die individuelle Lage der künftigen Rentner kommt den Forschern in der aktuellen Debatte aber zu kurz. „Bisher wurde unseres Erachtens übersehen, dass für die Frage der freiwilligen Zusatzbeiträge entscheidend ist, ob man sich eine risikoadäquate Verrentung zutraut“, erläutert Thum. Werde das angesammelte Kapital nämlich zu einem Einheitstarif verrentet – etwa für Männer so wie für Frauen oder für Gesunde so wie für weniger Gesunde –, dann hätten nur die Bürger mit hoher Lebenserwartung einen Anreiz, zusätzlich zu sparen. Thum befürchtet, dies könne in der Öffentlichkeit als Flop der Reform gewertet werden.
Die Wissenschaftler regen zudem an zu prüfen, ob die Kapitaldeckung durch öffentliche Kredite ausgebaut werden kann, die mit den Fiskalregeln kompatibel sind. Bislang hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die vereinbarten 10 Mrd. Euro für die Kapitaldeckung nicht in die Finanzplanung aufgenommen. Die einmalige Zahlung müsste zudem verstetigt werden, um so viel Kapital anzusammeln, dass die Erträge die gesetzliche Rente spürbar entlasten. Bei einer Kreditfinanzierung würde die Rendite des Kapitalmarktes zwar um die Zinsen gekürzt. Diese wären wegen der guten Bundesbonität aber gering.