Im Gespräch:Oliver Roll

„Preise werden immer dynamischer“

Die Phase der hohen Inflation ab 2022 hat die Preispolitik von Unternehmen nachhaltig verändert, sagt Oliver Roll, Professor für Betriebswirtschaft und internationales Marketing an der Hochschule Osnabrück sowie Gründer der Unternehmensberatung R&P.

„Preise werden immer dynamischer“

Im Gespräch: Oliver Roll

„Die Preise werden immer dynamischer“

BWL-Professor und Unternehmensberater Roll über den Einfluss von KI, Trump und der Inflationswelle ab 2022 auf die aktuelle Preissetzung

Die Phase der hohen Inflation ab 2022 hat die Preispolitik von Unternehmen nachhaltig verändert, sagt Oliver Roll, Professor für Betriebswirtschaft und internationales Marketing an der Hochschule Osnabrück sowie Gründer der Unternehmensberatung R&P.

Von Martin Pirkl, Frankfurt

Der extrem hohe Inflationsanstieg der Jahre 2022 und 2023 hat bleibende Spuren bei den Unternehmen in Deutschland hinterlassen. Während vor dieser Phase viele Firmen, gerade im B2B-Bereich, nur einmal im Jahr ihre Preispolitik geprüft und möglicherweise geändert haben, geschieht dies nach Beobachtung von Oliver Roll nun häufiger. „Unternehmen waren gezwungen, ihre Preise aufgrund der hohen Kostensteigerungen öfter anzupassen“, sagt der Professor für Betriebswirtschaft und internationales Marketing an der Hochschule Osnabrück sowie Gründer der Unternehmensberatung R&P. „Diese Flexibilisierung bei den Preisen sehen wir weiterhin.“

Auf eine höhere Volatilität bei der Inflation muss sich die EZB nach Einschätzung von Roll deswegen aber nicht einstellen. Allerdings könnte durch die höhere Frequenz bei den Preisanpassungen das Tempo der geldpolitischen Transmission etwas höher sein – sich also Änderungen beim Leitzins schneller auf die Realwirtschaft durchschlagen.

KI bei der Preissetzung

Dazu passt auch, dass der Anteil der Unternehmen mit dynamisierter Preisgestaltung laut Roll zunimmt. Während es beispielsweise bei Zug- oder Flugtickets schon länger üblich ist, dass sich die Preise regelmäßig etwa aufgrund der Nachfrage ändern, experimentieren inzwischen auch andere Branchen damit. Als Beispiel nennt der Betriebswirt Containerpreise und generell den Transportbereich. Auch immer mehr E-Commerce-Händler arbeiten damit. So gebe es Online-Händler, die das Wetter beim Verkaufspreis berücksichtigen. An regnerischen Tagen sitzen mehr Menschen vor dem Rechner und entsprechend ist die Nachfrage nach Onlineshopping größer als bei strahlendem Sonnenschein. „Wir leben in einer Welt, in der die Preise tendenziell immer dynamischer werden“, sagt Roll.

Oliver Roll ist Professor für Betriebswirtschaft und internationales Marketing an der Hochschule Osnabrück sowie Gründer der Unternehmensberatung R&P.

Das liegt nicht zuletzt am zunehmenden Einsatz von KI in der Wirtschaft. Mit der Technologie lassen sich große Datenmengen auswerten. Außerdem kann KI Informationen nahezu in Echtzeit verarbeiten und in die Preisgestaltung einfließen lassen. Das Ganze steckt laut Roll aber noch „in den Kinderschuhen“, dürfte aber für immer mehr Unternehmen an Bedeutung gewinnen. „Wichtig wird für Unternehmen sein, dass sie bei Preisentscheidungen der KI die Möglichkeit haben, noch manuell nachjustieren zu können“, sagt Roll. „Niemand möchte sich auf Preise verlassen, deren genaue Logik unklar ist.“

Signalwirkung Tarifverhandlungen

Treiber der Inflation dürfte im kommenden Jahr nach Einschätzung von Roll abermals das Lohnwachstum sein. Allerdings erwartet er einen geringeren Lohnzuwachs als 2024. „Der Arbeitsmarkt kühlt sich ab“, sagt Roll. Er verweist dabei auf zunehmende Meldungen über Stellenabbau, etwa bei SAP, der Bahn oder VW. Tarifabschlüsse mit großen Lohnerhöhungen dürften daher abnehmen, was auch Folgen auf nicht tarifgebundene Betriebe hätte. „Von den Ergebnissen der Tarifverhandlungen geht immer auch eine Signalwirkung aus.“

Ein weiterer preistreibender Effekt im Jahr 2025 könnten Zölle werden, die die EU als Gegenreaktion auf US-Zölle verhängen könnte „Ich rechne damit, dass die Unternehmen die Zölle größtenteils an ihre Kunden weitergeben würden.“

Konjunktur bremst Preiserhöhungen

Bremsend auf die Inflation werden hingegen die schlechte Konjunkturprognose für Deutschland und die Inflationserwartungen wirken. Denn beides fließt neben den firmen- und branchenspezifischen Faktoren in die Preispolitik von Unternehmen ein. „In die Absatzprognosen werden die Inflationserwartungen der Notenbanken und Stimmungsindikatoren für die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einbezogen“, sagt Roll. Zusammen mit einer Prognose für die Entwicklung der Produktionskosten bildet dies die Grundlage für die Preissetzung der Unternehmen.

Nicht immer sind solche Prognosen einfach. Mitunter geht ein Unternehmen mit einer Preiserhöhung auch zu weit und würgt dadurch die Nachfrage nach dem Produkt oder der Dienstleistung ab. Eine Rolle rückwärts in solchen Fällen ist laut Roll jedoch selten. „Eine zurückgenommene Preiserhöhung gilt als Gesichtsverlust.“ Um diesen zu vermeiden, wählen die Unternehmen lieber andere Instrumente. Dazu zählen Rabattaktionen oder kostenlose Features – so soll die fehlende Nachfrage wieder zurückkommen.