Preisschub wie zuletzt in der Ölkrise
rec Frankfurt
In Deutschland baut sich ein immer stärkerer Inflationsdruck auf vorgelagerten Stufen der Wertschöpfung auf, den perspektivisch auch die Verbraucher zu spüren bekommen dürften. Im Juni haben die Erzeugerpreise ein weiteres Mal deutlich angezogen und auf Jahressicht eine Wachstumsrate von 8,5% erreicht. Einen so hohen Wert hat das Statistische Bundesamt (Destatis) seit fast 40 Jahren nicht gemessen.
Die Preisentwicklungen auf Ebene der Produzenten liefern damit ein weiteres Indiz für steigende Verbraucherpreise. Als weitere Vorboten gelten die Großhandelspreise und die Einfuhrpreise. Auch diese verzeichneten jüngst Zuwachsraten, wie sie seit der Ölkrise zu Beginn der 1980er Jahre nicht registriert wurden (siehe Grafik). Die Großhandelspreise legten laut Destatis im Juni um 10,7% zu. Importeure mussten im Mai 11,8% mehr zahlen als zwölf Monate zuvor, Daten für Juni folgen in wenigen Tagen.
Die Zuwächse sind den Statistikern zufolge zum Teil statistischen Effekten im Zuge der Post-Corona-Erholung zuzurechnen, aber nicht nur. Ökonomen rechnen damit, dass die Preissteigerungen auf den vorgelagerten Stufen mit Verzögerung vermehrt auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Auch im gesamten Euroraum wurden zuletzt Rekordzuwächse bei den Erzeugerpreisen gemessen. Die neuen Zahlen dürften die Sorgen nähren, dass der zu beobachtende Inflationsschub womöglich doch stärker und anhaltender sein wird, als dies allen voran die Europäische Zentralbank (EZB) und einige Ökonomen bislang erwarten.
Inflation auf Kurs 4 Prozent
Hierzulande dürfte die Inflation, gemessen am für europäische Vergleichszwecke einschlägigen Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf 2,1% im Juni ab diesem Monat wieder deutlich zulegen. Laut Einschätzung der Bundesbank sind gegen Ende des Jahres Raten von 4% möglich. Anschließend dürften sie nach allgemeinem Dafürhalten wieder zurückgehen, weil Sondereffekte wie die zwischenzeitlich abgesenkte Mehrwertsteuer aus der Statistik fallen. Die Meinungen, wie stark die Inflation ab Anfang 2022 zurückgeht, gehen aber auseinander.
Die Entwicklung der Erzeugerpreise liefert nun jenen Nahrung, die vor einem kräftigen Inflationsschub warnen, der auch die EZB früher als erwartet zum Handeln zwingen könnte. Diese strebt gemäß dem gerade aktualisierten Inflationsziel auf mittlere Sicht glatt 2% an. Das Plus bei gewerblichen Produkten, die die Fabrikhallen verlassen, lag mit 8,5% nochmals deutlich über der im Mai gemessenen Rate (7,2%). Ein größeres Plus gab es zuletzt im Januar 1982, als die Preise wegen der zweiten Ölkrise stark gestiegen waren.
Hauptverantwortlich für den Anstieg der Erzeugerpreise waren im vergangenen Monat deutlich höhere Kosten für Energie und Vorleistungsgüter. Energie verteuerte sich im Durchschnitt um 16,9%. Grund dafür sei vor allem ein „Basiseffekt aufgrund der im Frühjahr 2020 im Zuge der Pandemie stark gefallenen Preise“, teilten die Wiesbadener Statistiker mit. Auch die seit Januar teilweise zusätzlich anfallende deutsche CO2-Bepreisung auf Brennstoffe wie Mineralölerzeugnisse und Erdgas hatte einen Einfluss. Darüber hinaus verteuerten sich vor allem Vorprodukte wie Holz und Stahl, hier sorgen weltweite Engpässe für einen kräftigen Preisschub. Commerzbank-Ökonomen Ralph Solveen stellt fest: „Zunehmend schlägt dies auf die Preise der Endprodukte durch, was sich in den kommenden Monaten auch auf der Verbraucherebene bemerkbar machen dürfte.“
Kollegen wie der Außenhandelsfachmann Gabriel Felbermayr warnen zudem, dass auch weltweite Lieferprobleme speziell in Asien spürbar auf Preise bestimmter Konsumgüter durchschlagen dürften: Wie sehr die Preise im Durchschnitt steigen werden, sei schwer zu sagen, sagte der Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zu Wochenbeginn dem Portal T-Online. „Aber bei Gütern und Geschenken, die stark nachgefragt werden, Elektronikgeräten wie Fernseher oder Spielkonsolen, werden wir sicherlich einen Preisanstieg von bis zu 20% sehen.“