Ukraine-Krise

Putins Kriegskasse ist gut gefüllt

Die hohen Rohstoffpreise haben Russland zuletzt Unmengen an Geld beschert. Putin ließ eisern sparen und hat daher die fünftgrößten Reserven der Welt. Das gibt ihm vorerst großen Spielraum für jegliches Unterfangen.

Putins Kriegskasse ist gut gefüllt

est Moskau

Wer die hohen Rohstoffpreise nur vom Blickwinkel des Verbrauchers betrachtet, übersieht, wie sehr sich auf der anderen Seite die Produzenten eine goldene Nase verdienen. Ob bei Industrie- und Edelmetallen, bei Getreide oder allen voran bei Gas und Öl: Sie lachen sich ins Fäustchen. Und die russischen Produzenten lachten in letzter Zeit besonders laut.

Als Großlieferant von Europa und Hauptlieferant von einigen Staaten wie etwa Deutschland flossen allein 2021 Unsummen ins Land. Laut russischer Zentralbank verkaufte Russland Öl und Gas für mehr als 240 Mrd. Dollar ins Ausland, was einem Plus von 60% zum ersten Pandemiejahr 2020 entspricht. Der Zuwachs verdankt sich vor allem den gestiegenen Preisen. So betrug der durchschnittliche Ölpreis 69 Dollar je Barrel (159 Liter), während er 2020 noch bei mauen 40 Dollar lag. Aber selbst bei diesem niedrigeren Preis kommt Russland zurecht. Der Grund: Präsident Wladimir Putin hat nach den ersten Sanktionen 2014 einen strikten Sparkurs verordnet – und ab 2018 eiserne Budgetregeln.

Heute ist der Effekt davon verblüffend: Im Staatsfonds, Nationaler Wohlstandsfonds genannt, liegen fast 200 Mrd. Dollar. Insgesamt belaufen sich die Internationalen Gold- und Währungsreserven auf die Rekordsumme von 643,2 Mrd. Dollar. Nur vier Länder (allen voran China) haben mehr an Rücklagen zur Verfügung. Wobei China etwa 1,3 Bill. Dollar in US-Staatsanleihen angelegt hat. Russland hat aus Vorsicht alle verkauft. Die Geldreserven sind nicht das einzige Kissen für Krisenzeiten. Das zweite ist die niedrige Auslandsverschuldung des Staates, die gerade mal 20% des BIP beträgt – der niedrigste Wert unter den Schwellenländern.

Was nun die eiserne Budgetregel für den Wohlstandsfonds im Detail betrifft, so sieht sie vor, dass die Einnahmen aus dem Ölexport ab einem Ölpreis von 44,2 Dollar je Barrel in die Rücklagen fließen. Hatten diese im Wohlstandsfonds zu Beginn der Budgetregel Anfang 2018 nur 3,6% des BIP ausgemacht, so stellten sie Anfang 2022 bereits 11,7% der Wirtschaftsleistung.

Eigentlich hätte die Regierung bereits Geld daraus etwa für Investitionen entnehmen können. Aber Putin hat die Regel dafür just Ende November 2021, als sich der Konflikt mit der Ukraine zuzuspitzen begann, verschärft. Als Grund nannte das Finanzministerium damals die Risikovorsorge angesichts der Energiewende in den Industrieländern, die schon Ende des Jahrzehnts zu einem Verfall der Öl- und Gaspreise führen werde.

Sanktionen abfedern

Inzwischen hat der Ukraine-Krieg zwar nicht die Öl- und Gaspreise verfallen lassen – ganz im Gegenteil. Aber die Geldreserven haben die Funktion bekommen, die Sanktionen abzufedern. Russland habe genug Rücklagen, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, hieß es aus Regierungskreisen.

Man bereite sich seit Monaten auf Sanktionen vor, sagte Premierminister Michail Mischustin vor wenigen Tagen. Dazu gehört auch ein System zur Importsubstitution in der kritischen Infrastruktur und in strategischen Branchen. Und für den Fall, dass der Export von Energieträgern beschränkt würde, könnte Russland in andere Märkte liefern, wobei die höheren Rohstoffpreise die Verluste „weitgehend kompensieren können“, sagte Finanzminister Anton Siluanow.

Sollte der Ölpreis dieses Jahr bei 90 Dollar bleiben, würde er Russland zusätzliche 65 Mrd. Dollar einbringen, ergab kürzlich eine Bloomberg-Umfrage unter Analysten. Bei einem Ölpreis von 100 Dollar wären es 73 bis 80 Mrd. Dollar.