Rätselraten über Europas Rechtsaußen
Serie: Countdown zur Europawahl (Teil 5)
Rätselraten über Europas Rechtsaußen
Nach Bruch mit AfD wird über neue Partnerschaften der Extremen spekuliert
fed Frankfurt
In Brüssel schießen die Spekulationen ins Kraut, wie sich im EU-Parlament nach den Wahlen vor allem die Parteien am rechten Rand aufstellen werden. Diese Frage zieht insofern großes Interesse auf sich, als nach aktuellen Prognosen nationalistische, europakritische Parteien in vielen EU-Staaten mit spürbaren Stimmenzugewinnen rechnen dürfen.
Nach dem Paukenschlag am Donnerstag, als die rechtsextreme Parteienfamilie „Identität und Demokratie“ (ID) die neun Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) vor die Tür setzte, ist das Rechtsaußen-Bündnis zunächst einmal um immerhin ein Sechstel auf jetzt noch 49 Parlamentarier geschrumpft. Einige Beobachter vermuten, dass der Ausschluss der AfD wiederum die Tür für die ungarische Fidesz, die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán, aufgestoßen hat. Fidesz hat im Augenblick elf Sitze im EU-Parlament und ist nach dem Ausstieg aus der christdemokratischen Parteienfamilie EVP 2021, mit dem Orbán damals einem Rauswurf zuvorkam, fraktionslos im EU-Parlament.
Neben der ID, oft als Bündnis der rechtsextremen Parteien bezeichnet, gibt es im EU-Parlament noch die Fraktion der EKR, der Europäischen Konservativen und Reformer, meist als „Rechtskonservative“ tituliert. Zu ihnen zählt unter anderem die Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die Brüder Italiens (Fratelli d’Italia), sowie die frühere Regierungs- und heute größte Oppositionspartei Polens, die PiS. Allerdings ist nicht immer nachvollziehbar, welchem der beiden rechten Lager sich Parteien angeschlossen haben. So gehören etwa die französische Reconquête unter Parteichef Éric Zemmour ebenso wie die spanische Vox des Parteivorsitzenden Santiago Abascal Conde zu dem rechtskonservativen Block, obwohl sich ihre Sprecher immer wieder durch rassistische, islamophobe und frauenfeindliche Äußerungen am äußersten rechten Rand positionieren.
20 bis 25 Prozent insgesamt
Insofern ist es alles andere als einfach, vorauszusagen, welche Parteien sich im neuen EU-Parlament wie gruppieren. Immer wieder kommt auch die Spekulation auf, dass sich alle rechten Kräfte zu einer gemeinsamen Parteienfamilie zusammenschließen könnten. Die brächte es nach aktuellen Voraussagen auf 20 bis 25% der Sitze und könnte damit an den Sozialdemokraten vorbeiziehen, nicht aber an den Christdemokraten. Beobachter geben aber zu bedenken, dass dem rechten Lager bislang noch nie eine Bündelung gelungen ist, zumal einige Parteien wie Reconquête und Rassemblement National in ihren Ländern konkurrieren.