Rezessionsgefahr durch Trumps Wirtschaftspolitik?
Von Peter De Thier, WashingtonMit der nun erreichten Delegiertenmehrheit ist Donald Trumps Spitzenkandidatur bei den Republikanern für das Präsidentenamt jetzt amtlich. Ernsthafter als zuvor setzen sich Beobachter darum nun mit den wirtschaftspolitischen Inhalten seiner Regierungsagenda auseinander. Mit umfassenden Steuersenkungen, neuen Zöllen gegen die wichtigsten Handelspartner und mit drastischen Sparmaßnahmen will der republikanische Präsidentschaftskandidat die US-Wirtschaft wieder auf Vordermann bringen. Viele Ökonomen sind indes besorgt, rechnen mit Vergeltungszöllen, einem Handelskrieg und warnen vor massiven Jobverlusten sowie einer tiefen Rezession.Lange Zeit hatte sich der Milliardär nicht in die Karten schauen lassen. Seine wirtschafts- und handelspolitischen Ansätze umriss er nur grob und lud sie theatralisch auf. So kündigte er an, sämtliche Handelsabkommen fristlos aufzukündigen, weil sie in seiner Wahrnehmung US-Unternehmen zum Nachteil gereichen. Mit Ausnahme des Militärs, das unter Trump mit immensen Investitionen rechnen könnte, soll ein allumfassendes Sparprogramm umgesetzt werden. Vor allem bei den Sozialprogrammen plant er massive Einsparungen. Um die Mittelklasse zu entlasten, will er “Reiche, und zu denen zähle vor allem ich”, stärker zur Kasse bitten.Skeptisch zeigen sich Experten auch, wie der Senkrechtstarter mit diesem kryptischen Policy-Mix es schaffen will, wie angekündigt innerhalb von acht Jahren die Staatsschuld von derzeit über 19 Bill. Dollar abzutragen.Nun aber sehen Volkswirte genauer hin. Nicht nur, weil Trump durchaus sensationell die Spitzenkandidatur erklommen hat und zudem in Wählerumfragen mit Hillary Clinton etwa gleichauf liegt, sondern auch, weil die Pläne des Republikaners mittlerweile konkreter gefasst worden sind. “Wirkungslos und gefährlich”So will er den Spitzensatz für die Einkommensteuer von 39,6 % auf 25 % senken und den Körperschaftsteuersatz, der in den USA höher liegt als in jedem anderen OECD-Land, auf 15 % verringern. Zudem würde Trump die Erbschaftsteuer abschaffen und jenes Schlupfloch stopfen, das es Hedgefonds-Managern ermöglicht, ihr Einkommen als Investitionseinkommen niedriger zu versteuern. Zudem hat er flächendeckende Zölle gegen China angedroht, weil er das Land für einen Wechselkursmanipulateur hält. Auch Mexiko, das nach Meinung Trumps das Handelsabkommen Nafta eiskalt zum Nachteil der US-Wirtschaft ausnutzt, müsste mit scharfen Sanktionen rechnen.”Fast alles, was er sagt, ist verantwortungslos und gefährlich”, warnt Simon Johnson, Wirtschaftsprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und früherer Chefökonom beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Dass Trump kürzlich die Überzeugung äußerte, dass die USA als Schuldner gegenüber China die stärkere Verhandlungsposition hätten, Konzessionen erzwingen oder gar ein Einfuhrverbot gegen chinesische Produkte verhängen könnte, würde einen Handelskrieg provozieren, warnt Johnson. “In den betroffenen Branchen käme es zu Turbulenzen, die Massenentlassungen zur Folge haben würden, dies würde auf das Verbrauchervertrauen durchschlagen, und die Wirtschaft würde in eine Rezession abgleiten”, glaubt der Volkswirt.Diese Sorgen teilen auch andere Ökonomen wie Mark Zandi, Chefvolkswirt bei Moody’s Analytics. Ließe ein Präsident Trump in der Handelspolitik tatsächlich die Muskeln spielen, dann “würden die Einfuhrpreise steigen, die Kaufkraft der US-Verbraucher würde geschwächt, und im Privatsektor wären Entlassungen die Folge”, sagt Zandi. “Innerhalb eines Jahres wäre eine Rezession zu erwarten, ein hässliches Szenario”, so der Nationalökonom.Zudem weisen Experten darauf hin, dass der angestrebt Verteilungseffekt von Trumps Steuerpolitik eine Illusion ist. Wie eine Studie des Tax Policy Center ergab, wäre nämlich keineswegs die Mittelklasse der größte Nutznießer seiner Steuersenkungen. Vielmehr würden die wohlhabendsten 1 % der Steuerzahler 40 % der Vorteile erhalten. Deren jährliche Steuerlast würde im Schnitt um 400 000 Dollar sinken und die der ärmeren Haushalte nur um 209 Dollar. Fiktionale HaushaltspolitikAuch stehen Wirtschaftsforscher auf dem Standpunkt, dass Trumps Behauptung, innerhalb von zwei Amtsperioden die Staatsschulden beseitigen zu können, eine Fiktion ist. Anzunehmen sei vielmehr, dass der Fiskus mit seiner Steuer- und Haushaltspolitik noch tiefer in die roten Zahlen rutschen würde. “Beängstigend ist vor allem, dass zu diesem Zeitpunkt in einem Wahlzyklus kein Kandidat in der Geschichte so viele gefährliche Pläne auf einmal angekündigt hat”, warnt Simon Johnson. “Wir müssen Trump nach allem beurteilen, was er ankündigt – und das bereitet in der Tat Sorgen.”