Konjunktur

Rezessionsgefahr in Deutschland geht zurück

Bessere Produktionsdaten als erwartet lassen die Hoffnung keimen, dass die deutsche Wirtschaft eine Schrumpfung noch vermeiden kann. Allerdings steht der Einzelhandel wegen der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung gewaltig unter Druck. Das dürfte sich auf immer mehr Branchen ausweiten.

Rezessionsgefahr in Deutschland geht zurück

Der stärkste Anstieg der Produktion seit zweieinhalb Jahren macht eine Rezession in Deutschland unwahrscheinlicher. Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Januar zusammen 3,5% mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das ist der höchste Zuwachs seit Juni 2020. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 1,4% gerechnet. Im Dezember hatte es noch einen deutlichen Rückgang gegeben, der aber mit 2,4% weniger stark ausfiel als zunächst mit minus 3,1% angegeben. Die Produktionsentwicklung folgt auf einen spürbaren Auftragszuwachs, den die Statistiker am Dienstag meldeten.

„Das ist ein echtes Lebenszeichen von der Industrie“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. „Besonders erfreulich ist zudem, dass die Produktion in den energieintensiven Branchen deutlich zulegen konnte.“ Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sprach von einem gelungenen Jahresauftakt. „Allerdings sollte man bedenken, dass die Auftragseingänge im Trend noch immer fallen und die Unternehmen bereits einen guten Teil der Aufträge abgearbeitet haben, die während Corona liegengeblieben waren“, sagte Krämer. „Eine Trendwende nach oben zeichnet sich für die Industrieproduktion trotz der guten Januar-Daten noch nicht ab.“

Bau profitiert von milder Witterung

Besonders deutlich stieg zu Jahresbeginn die Bauproduktion, die um 12,6% zulegte. Die Energieherstellung stieg leicht an. Die Warenproduktion in der Industrie erhöhte sich um 1,9%. Der Anstieg geht auf einen deutlichen Zuwachs von Vorleistungsgütern zurück. Investitionsgüter wie Maschinen und Konsumgüter wurden weniger hergestellt. Die Produktion in den energieintensiven Bereichen erholte sich jedoch deutlich, nachdem sie im Dezember kräftig gefallen war.

Das Bundeswirtschaftsministerium hofft auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. „Die letzten Umfragen zeichneten sich durch erneut günstigere Geschäftsaussichten bei abnehmenden Materialengpässen aus“, hieß es mit Blick auf das verbesserte Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft. „In Kombination mit den nach wie vor gut gefüllten Auftragsbüchern dürfte die wirtschaftliche Abschwächung zu Jahresbeginn milde ausfallen.“ Die meisten Ökonomen erwarteten bislang, dass Europas größte Volkswirtschaft im laufenden ersten Vierteljahr das zweite Quartal in Folge schrumpfen wird, womit sie in eine technische Rezession abrutschen würde. Dies wird jetzt mit den neuen Daten etwas unwahrscheinlicher.

Eine starke Erholung ist den meisten Experten zufolge allerdings nicht drin. „Denn in den kommenden Monaten dürften sich bei der Inlands- und bei der Auslandsnachfrage die weltweiten kräftigen Zinserhöhungen der Notenbanken zunehmend bemerkbar machen“, so die Commerzbank. Dadurch werden Kredite für Investitionen und Konsum teurer.

Einzelhandel leidet unter Teuerung

Das bekommt im Moment vor allem der Einzelhandel zu spüren. Die Branche ist angesichts anhaltender Kaufkraftverluste ihrer Kunden schwach ins Jahr gestartet. Die Einzelhändler setzten im Januar 0,7% weniger um als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Inflationsbereinigt (real) sank der Umsatz um 0,3%. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem Wachstum von 2,0% gerechnet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Januar 2022 verzeichnete der Einzelhandel ein reales Umsatzminus von 6,9%.

„Damit bleibt der Umsatz sichtbar niedriger als vor der Corona-Pandemie“, kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger, die Entwicklung. Eine grundlegende Änderung sei wegen der schlechten Verbraucherlaune angesichts der anhaltend hohen Inflation und sinkender Reallöhne nicht in Sicht. „Für den privaten Verbrauch bleibt das Wachstumssignal ausgeschaltet“, sagte Krüger.

Aktuell liegt die Inflationsrate in Deutschland bei 8,7%, weil vor allem Energie und Lebensmittel deutlich mehr kosten. „Viele Verbraucher mussten zuletzt den Gürtel enger schnallen“, sagte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. „Die jüngsten Lohnabschlüsse zeigen zwar vergleichsweise hohe Zuwächse, reichen aber nicht aus, um die Belastungen aus der gestiegenen Teuerung abzufedern.“

Gegen den Trend nahm der reale Umsatz im Einzelhandel mit Lebensmitteln im Januar zu: Er wuchs um 3,1% zum Vormonat. Bei Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln können Verbraucher kaum sparen. Anders sieht es bei Produkten aus, die nicht zu Lebensmitteln gehören, wo der Umsatz um 0,8% sank. In dem vor allem während der Corona-Pandemie boomenden Internet- und Versandhandel fiel der Umsatz sogar um 6,5% schwächer aus als im Vormonat.

Perspektiven trüben sich ein

Der deutsche Einzelhandel rechnet in diesem Jahr wegen der hohen Inflation mit dem größten Umsatzschwund seit der globalen Finanzkrise 2009. Inflationsbereinigt (real) dürfte er um 3% sinken, sagte der Handelsverband Deutschland (HDE) kürzlich voraus. „Der Einzelhandel behauptet sich 2023 unter nach wie vor schwierigen Bedingungen gut, verliert jedoch leicht an Boden“, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen. Mehr als die Hälfte der befragten Händler rechnet mit leicht oder sogar deutlich sinkenden Umsätzen im laufenden Jahr. Die Zahl der Betriebe im Handel dürfte zudem weiter sinken, vor allem in kleinen und mittleren Städten dürften viele Geschäfte dichtmachen, befürchtet der HDE.

Euro-BIP-Daten nach unten revidiert

Die fragile konjunkturelle Entwicklung lässt sich auch an den aktualisierten BIP-Daten von Eurostat ablesen. In der Eurozone hat sich die Wirtschaft Ende des vergangenen Jahres etwas schwächer entwickelt als bisher bekannt. Im vierten Quartal habe das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal stagniert, wie die Statistiker am Mittwoch in Luxemburg mitteilen Damit wurde eine vorangegangene Schätzung für die Monate Oktober bis Dezember etwas nach unten revidiert. Bisher war ein leichtes Wachstum um 0,1% gemeldet worden. Analysten hatten die Abwärtsrevision und damit die Stagnation der konjunkturellen Entwicklung erwartet.

Im dritten Quartal war die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum noch um 0,4% gewachsen. Auch hier revidierte Eurostat die bisherigen Daten. Zuvor war nur ein Wachstum um 0,3% im Quartalsvergleich gemeldet worden.

Im Jahresvergleich legte die Wirtschaft im Zeitraum Oktober bis Ende Dezember 2022 um 1,8% zu. Auch in dieser Betrachtung wurde die erste Schätzung leicht nach unten revidiert. Im Gesamtjahr 2022 wuchs die Wirtschaft der Eurozone um 3,5%.

Die Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Ländern der Eurozone zeigte in den Schlussmonaten des Jahrs 2022 deutliche Unterschiede. Das stärkste Wachstum erzielte im vierten Quartal Griechenland mit 1,4% im Quartalsvergleich. Den stärksten Rückgang weist Estland auf (minus 1,6%). In Deutschland schrumpfte die Wirtschaft um 0,4%.

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