Richtige Entscheidung der EZB
Die von den Banken in Deutschland gehaltene Überschussliquidität bei der Bundesbank von etwa 1,1 Bill. Euro ist in der Tat sehr lukrativ. Mit dem derzeitigen Einlagensatz von 4% werden 44 Mrd. Euro Erträge pro Jahr erzielt. Das macht immerhin 26% der im Jahr 2022 erzielten Zinserträge aller deutschen Banken aus. Auf der Einlagenseite erscheinen die Banken dagegen deutlich zurückhaltender: Gemäß den letzten Zahlen der Bundesbank werden zum Beispiel die zinsreagibelsten Einlagen privater Haushalte mit vereinbarter Laufzeit bis 2 Jahre (Termingelder) derzeit mit knapp über 3% vergütet, täglich fällige Einlagen privater Haushalte dagegen nur mit 0,62%.
Da ist es nur verständlich, dass in der Öffentlichkeit und der Geldpolitik darüber diskutiert wird, ob die Erträge der Banken aus der Überschussliquidität gerechtfertigt sind und wie sie ggf. beschränkt werden könnten. Konkret wurde von der Geldpolitik erwogen, den Mindestreservesatz von 1 auf z.B. 2% anzuheben, um weitere 45 Mrd. Euro Pflichteinlagen deutscher Banken bei der Bundesbank zinslos zu stellen. Die damit entzogenen 1,8 Mrd. Euro an Zinserträgen pro Jahr würden den Banken überschaubare 6,6% des Jahresüberschusses vor Steuern des Jahres 2022 kosten.
Spiegelbild der geldpolitischen Aktiva
Zunächst einmal ist hierzu festzuhalten, dass die hohe Liquidität im Bankensystem gewollte Folge der geldpolitischen Stützungsmaßnahmen und Spiegelbild der in der Spitze 1,4 Bill. Euro geldpolitischer Aktiva bei der Bundesbank im Jahr 2020 waren. Die Überschussliquidität wurde daher bereits 2020 bei den Banken aufgebaut, lange bevor die Zinswende Mitte 2022 von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitet wurde. Sie stellt damit keine Reaktion der Banken auf etwaige Einlageopportunitäten zu den gestiegenen Notenbankenzinsen dar.
Hätten die Geschäftsbanken die geschaffene Liquidität noch stärker in langlaufende Kredite und Wertpapiere angelegt, so wäre ihnen mit den massiven Zinsanstiegen im Jahr 2022 ein Vermögensverlust von über 1% deren Bilanzsumme entstanden, der das Jahresergebnis der meisten Institute aufgezehrt hätte. Diese Vermögensverluste sind zwar jetzt bei der Bundesbank gelandet und führen dort zu mehrjährigen Negativabschlüssen. Diese kann eine Notenbank im Unterschied zu den Geschäftsbanken aber tragen.
Erhöhung der Mindestreserve wäre ein Fehler gewesen
Mit der hohen Liquidität, dem erhalten gebliebenem Vertrauen der privaten Einleger und der durch die geldpolitischen Eingriffe erreichten Stabilität im Finanzsektor konnte die historische Zinswende erst bewältigt werden. Wurde nicht jahrelang in der Nullzinsphase darüber gerätselt, wie es die Notenbanken schaffen sollten, ohne Blessuren von den Niedrigzinsen wegzukommen? Die Liquiditätshaltung war und ist entscheidender Teil einer verantwortungsvollen und notwendigen Gesamtbanksteuerung zur Begrenzung der Zinsänderungsrisiken bei den Banken.
Eine Erhöhung des Mindestreservesatzes, auf den die EZB am Mittwoch verzichtete, würde den Banken nur benötigte Erträge zur Bewältigung der Zinswende entziehen, geldpolitisch aber keine Wirkung erzielen, da eine strukturelle Liquiditätsknappheit nicht in Sicht ist. Soll die Liquidität im Finanzsystem aus geldpolitischen Gründen nachhaltig reduziert werden, so muss an deren Ursache angegriffen werden: den geldpolitischen Aktiva. Da diese Wertpapierbestände der Bundesbank derzeit nur langsam über die Jahre mit den Fälligkeiten abschmelzen, sollte über einen zügigeren Abbau nachgedacht werden. Da die Bundesbank eh für mehrere Jahre mit laufenden Verlusten rechnen muss, könnten Kursverluste auf ihre Wertpapiere auch durch Verkäufe realisiert und vorzeitig verarbeitet werden. Besser hierfür den aktuell günstigen Zeitpunkt mit relativ entspannten Rentenmärkten nutzen und damit den notwendigen Spielraum zurückgewinnen, auch zukünftigen Krisen wirksam begegnen zu können.