LEITARTIKEL

Runter vom hohen Ross

Der erste Schritt im globalen Handelskrieg ist getan: Die Schutzzölle von US-Präsident Donald Trump auf Stahl und Aluminium sind in Kraft. Die EU ist zwar - wie andere auch - in letzter Minute von den Maßnahmen verschont geblieben. Doch aufgeschoben...

Runter vom hohen Ross

Der erste Schritt im globalen Handelskrieg ist getan: Die Schutzzölle von US-Präsident Donald Trump auf Stahl und Aluminium sind in Kraft. Die EU ist zwar – wie andere auch – in letzter Minute von den Maßnahmen verschont geblieben. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Zeitgewinn bedeutet noch keine Einigung im Handelsstreit. Und schlimmer noch: Das regelbasierte multilaterale Handelssystem steht weiter am Pranger. Es war richtig von der EU, das Zeitfenster für Gespräche mit den USA zu nutzen. Wie keine andere Staatengemeinschaft ist die Eurozone abhängig vom Export. 2017 betrug ihr Leistungsbilanzüberschuss 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Zölle auf Aluminium und Stahl würden wehtun, wären aber weit harmloser als die Androhung des US-Präsidenten, Zölle auf europäische Autoimporte zu belegen. Diese wären für die EU, insbesondere Deutschland, katastrophal. Die Denkfabrik Bruegel hat ausgerechnet, dass ein Zoll von 35 % auf europäische Autoimporte die Autoindustrie in Europa 17 Mrd. Euro pro Jahr kosten würde. Nach wie vor droht die Gefahr der Ausweitung des Handelskonflikts auf weitere Branchen und Länder. Wer den Geist des Protektionismus aus der Flasche lässt, bekommt ihn vielleicht nicht so leicht wieder hinein.Daher sollte sich die EU kompromissbereiter und selbst weniger protektionistisch zeigen. Denn auch wenn Zweifel an Trumps ökonomischem Sachverstand mehr als angebracht und Zölle das falsche Mittel sind, so hat er doch in einem Punkt recht: Wirklich “fair” ist der Welthandel nicht. Auch die EU ist protektionistisch. Sie hat WTO-gewichtete Zölle von 3,0 %, die USA nur von 2,4 %. Sie erhebt bei Autos 10 % Importzölle, die USA lediglich 2,5 %. Die Agrarpreise in Europa liegen wegen Zöllen und Subventionen 20 % über den Weltmarktpreisen – allein auf Rindfleisch verlangt Brüssel 69 % Importsteuern. Und dann gibt es da noch die vielen nichttarifären Handelshemmnisse wie Regulierungen und Produktstandards. Die EU sollte daher von ihrem moralisch hohen Ross absteigen und zugeben, dass auch sie Zölle gerne nutzt, um Einnahmen für den Haushalt zu generieren und um wichtige Branchen zu schützen.Die Senkung von EU-Einfuhrzöllen auf bestimmte amerikanische Produkte als Teil einer Verhandlungslösung komplett auszuschließen, ist falsch. Davon sollte Berlin Brüssel und Paris überzeugen. Ein Abbau der Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks wäre der richtige Weg aus dem Handelskonflikt und für alle Parteien von Vorteil. Erstens für die Verbraucher, die von günstigeren Produkten profitieren würden. Zweitens für die Schwellenländer, deren Agrarprodukte wieder wettbewerbsfähig wären und zu der Entwicklung der Länder beitragen würden. Drittens für das regelbasierte, multilaterale Handelssystem. Ein Abbau der Zölle würde zudem allen Ländern zeigen, dass man unfairen Handel am besten mit den Regeln der WTO bekämpfen kann statt im nationalen Alleingang. Den USA würde dies ebenfalls zugute kommen: Seit der Gründung der WTO 1995 wurden 123 der 537 vorgebrachten Fälle im Streitschlichtungsmechanismus von den USA eröffnet, darunter 21 gegen China. Auch wenn die multilaterale Rechtsprechung Zeit und Mühe kostet, so hat sie doch meist im Sinne ihres aktuellen Gegners entschieden.Es wäre wünschenswert, den Welthandel wieder fairer und multilateraler zu gestalten. Die Wohlfahrtseffekte des internationalen Handels sind groß, das ist bekannt. Gleichzeitig sind diese allerdings oft ungleich verteilt. Daher ist es umso wichtiger, dass die Verlierer des globalen Handels aufgefangen werden. Es ist kein Zufall, dass dort, wo der Freihandel am meisten in der Kritik steht (USA, Vereinigtes Königreich), die sozialen Netze am geringsten sind. Marktoffenheit braucht einen starken Sozialstaat, wie Deutschland ihn hat, und sollte nicht im Widerspruch zu stärkeren ökologischen und sozialen Regeln stehen. Statt den Freihandel mit höheren Verteidigungsausgaben zu verknüpfen, wie US-Präsident Trump es fordert, sollte die EU lieber darauf pochen, Maßnahmen im Bereich der Sozial-, Steuer- und Innovationspolitik umzusetzen, um den Menschen die Angst vor der Globalisierung zu nehmen.Trotz aller Versprechungen von Trump: Handelskriege kennen keine Gewinner. 1930 machten Senator Reed Smoot und Repräsentant Willis Hawley ein ähnlich leeres Versprechen. Es folgten protektionistische Zölle, die Große Depression und eine Weltwirtschaftskrise. Die EU und die USA sollten unbedingt aus diesen Fehlern der Vergangenheit lernen.—-Von Julia WacketEin Abbau der Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks wäre der richtige Ausweg aus dem Handelskonflikt und für alle Parteien von Vorteil.—-