Russland kündigt Teilrückzug aus Kiew an
BZ Frankfurt
Die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine im türkischen Istanbul machen Fortschritte. Die Ukraine bot ihre Neutralität und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt an. Als Reaktion kündigte das Verteidigungsministerium in Moskau an, die militärische Aktivität rund um Kiew und Tschernihiw zu verringern – allerdings nur dort und nicht an anderen Stellen in der Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte derweil härtere Sanktionen des Westens gegen Russland.
Olexander Tschaly, Unterhändler für die Ukraine, sagte nach den Beratungen in Istanbul, die Ukraine habe einen neutralen Status des Landes gegen Sicherheitsgarantien angeboten. Zudem sollte für die von Russland 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim eine 15-jährige Prüfphase vereinbart werden. Die Ukraine würde nicht der Nato beitreten, möchte aber EU-Mitglied werden.
Die Vorschläge Kiews sollen nun geprüft und Präsident Wladimir Putin übermittelt werden. Die Verringerung des Militäreinsatzes sei einer von zwei Schritten, die Moskau zur Deeskalation unternehme. Der zweite sei ein Treffen Putins mit Selenskyj. Dieses sei aber nur möglich, wenn zuvor eine Vereinbarung zwischen den Außenministern beider Länder erzielt worden sei.
Am Mittwoch ist ein Tag Verhandlungspause vorgesehen, an dem die Delegationen zu Beratungen mit ihren Regierungen zurückreisen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu machte eine Annäherung bei den Verhandlungen aus. Sie seien die bislang wichtigsten gewesen. Die schwierigeren Themen würden zu einem späteren Zeitpunkt besprochen.
Ungeachtet der fortschreitenden Verhandlungen haben russische Truppen ihre Angriffe in der Ukraine fortgesetzt. Ein großes Treibstofflager der ukrainischen Armee im Nordwesten sei zerstört worden, meldet die russische Nachrichtenagentur Interfax.
Ukrainische Streitkräfte halten nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes weiter das Zentrum der Hafenstadt Mariupol. In mehreren Gebieten um Kiew sei es der ukrainischen Armee zudem gelungen, russische Truppen zurückzudrängen. Ein Sprecher des britischen Premierministers Boris Johnson berichtete am Nachmittag von einem Rückgang der russischen Bombardements um Kiew, betonte aber, die russischen Truppen müssten das Land verlassen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte in einer Rede vor dem dänischen Parlament derweil härtere europäische Sanktionen gegen Russland. Dazu sollten ein Handelsembargo, ein Ende von Ölimporten aus Russland sowie die Schließung von Häfen für russische Schiffe gehören, sagte Selenskyj per Videoübertragung. Er bekräftigte, dass noch immer rund 100000 Menschen in der belagerten und bombardierten Hafenstadt Mariupol eingeschlossen seien.