Russlands Problem mit dem starken Rubel
Von Eduard Steiner, zzt. Wien
Die russische Wirtschaft ist schwer angeschlagen. Aber im Außenhandel fährt das Land einen Überschuss ein wie noch nie. Allein, was tun damit? Ein Blick auf den starken Rubel zeigt das Problem, in dem Russland steckt.
Die Währung, die Anfang März, kurz nach Kriegsbeginn, von zuvor 76 auf 120,37 Rubel je Dollar und von 86 auf 132,95 Rubel je Euro gefallen war, ist inzwischen wieder 63,44 Rubel zum Dollar und 65,81 Rubel zum Euro wert. Der Rubel hat damit nicht nur Terrain zurückgewonnen, er kostet mehr als vor Ausbruch des Krieges und der anschließenden Verhängung der Sanktionen. Allein im April ist er laut russischer Zentralbank um 34% gestiegen.
Was angesichts des von der Zentralbank prognostizierten Wirtschaftseinbruchs von 8 bis 10% für dieses Jahr widersprüchlich wirkt, ist indes so unlogisch nicht. In Wahrheit wirken gleich mehrere Faktoren wechselkurstreibend auf die russische Währung ein. Ganz konkret sind es drei. Und sie liegen durchaus nicht nur an den Maßnahmen der russischen Staatsführung, um dem Verfall der Währung entgegenzuwirken – sie also zu manipulieren.
Der wesentliche Grund liegt im russischen Leistungsbilanzüberschuss, der ja vorwiegend ein Handelsbilanzüberschuss ist. Und dieser dürfte Expertenschätzungen zufolge zum Jahresende 250 Mrd. Dollar ausmachen. Zustande kommt er zum einen, weil Russland mit seinen Öl- und Gasexporten angesichts der sehr hohen Rohstoffpreise weiter satte Deviseneinnahmen generiert. Zum anderen aber noch mehr dadurch, dass der Westen, allen voran Russlands Haupthandelspartner Europa, deutlich weniger nach Russland exportiert. Die sanktionsbedingte Einschränkung des westlichen Exports inklusive des Rückzugs Hunderter westlicher Firmen aus Russland machen dem Land zwar letztlich schwer zu schaffen, aber sie treiben eben auch den Handelsbilanzüberschuss in schwindelerregende Höhen. Nicht einmal in der Zeit des Rohstoffbooms bis 2008 hat er dieses Niveau erreicht. Russland spielt also binnen eines Jahres mehr als die Hälfte jener Summe ein, die der Westen an russischen Währungsreserven zu Beginn des Krieges eingefroren hat. Nur kaufen kann sich das Land damit wenig – übrigens der Grund dafür, dass Präsident Wladimir Putin zum 1. April die Umstellung der Gaszahlungen auf Rubel verfügte.
Devisenmaßnahmen wirken
Für die Rubel-Stärke ist nicht nur der sanktionsbedingte Handelsbilanzüberschuss verantwortlich, sondern auch die Kapitalverkehrskontrollen, die die russische Zentralbank nach Kriegsbeginn als Reaktion auf die Sanktionen eingeführt hat, wirken sich aus. So wurde der Devisentransfer ins Ausland pro Person auf 10000 Dollar im Monat beschränkt. Zudem wurden Exportfirmen verpflichtet, 80% ihrer Deviseneinnahmen in Rubel umzutauschen. Und überdies hat die Zentralbank gleich Ende Februar den Leitzins um 10,5 Punkte auf 20% hochgerissen.
Die Maßnahmen verfehlten ihre Wirkung nicht. Im Gegenteil: Im Verein mit dem Rekordüberschuss bei der Leistungsbilanz haben sie eine Rubel-Stärke hervorgerufen, die der russischen Zentralbank inzwischen Sorgen bereite, wie Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erklärt. Nicht zufällig habe die Zentralbank dieser Tage das Limit für den privaten Devisentransfer ins Ausland von 10000 Dollar auf 50000 Dollar pro Monat erhöht. Außerdem kursiert die Vermutung, dass schon bald auch die Zwangskonvertierung der Exporteinnahmen für Unternehmen gelockert werde. Die Leitzinsen wurden von der Zentralbank ohnehin schon wieder auf 14% gedrückt, was zwar für westliche Augen hoch erscheint, für russische Maßstäbe aber einer lockeren Geldpolitik gleichkommt, weil die Inflation mit gut 17% derzeit klar höher liegt.
Inflationsbremse
In der Tat ist der starke Rubel zwar effektvoll für Demonstrationszwecke, in Wahrheit aber wird er für die Wirtschaft, der er nicht mehr entspricht, zum Problem. Allein für das Staatsbudget erweist er sich als Nachteil. Für die exportorientierten Konzerne, die ihre Ausgaben im Inland ja in Rubel tätigen, ohnehin. Und für die Entwicklung der unterentwickelten rohstofffernen Sektoren stellt ein starker Rubel seit jeher eine große Hürde dar. In einem freilich hilft der starke Rubel dem Staat: Er kann die entfesselte Inflation wenigstens einigermaßen im Zaum halten. „Wenn der Rubel nicht so stark wäre, läge die Inflation nicht bei 20%, sondern bei 30 bis 40%“, sagte der russische Ökonom Sergej Suwerow der Internetzeitung „Meduza“.
Fakt ist: Solange Russland seine Rohstoffe weiter in diesem Ausmaß exportieren kann und der Westen seine eigenen Exporte mit Sanktionen beschränkt, bleibt auch die russische Währung stark. Kurzfristig ergibt sich sogar das Bild, dass beim Handelsbilanzüberschuss Russland der Gewinner und der Westen der Verlierer ist. Aber Russland weiß im wahrsten Sinne des Wortes nicht wohin mit dem Geld. Und langfristig trage das Land ohnehin den Schaden, denn ohne westliche Investitionsgüter werde es sich nicht entwickeln können, erklärt Astrov.