Geldpolitik

Scharfe Kritik an Geldpolitik der EZB

Eine Riege prominenter Finanz- und Wirtschaftsvertreter sowie Politiker aus Deutschland hat mit äußerst scharfen Worten die Politik der EZB attackiert. Sie warnen auch vor „sozialem Sprengstoff“ und „weiterer politischer Polarisierung“.

Scharfe Kritik an Geldpolitik der EZB

ms Frankfurt

Eine Riege prominenter Finanz- und Wirtschaftsvertreter sowie Politiker aus Deutschland hat mit äußerst scharfen Worten die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) attackiert. In einem am Montag veröffentlichten offenen Brief zeigen sich die Autoren – darunter Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner, Linde-Chairman Wolfgang Reitzle und Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) – nicht nur alarmiert wegen Inflationsgefahren und Risiken für die Finanzstabilität; sie warnen zudem vor „sozialem Sprengstoff“ und „weiterer politischer Polarisierung“.

„Das Handeln der EZB erweckt den Eindruck, die Eurozone könne nur durch den Bruch der von den Mitgliedstaaten selbst formulierten Regeln (zum Beispiel Maastricht-Kriterien, No-Bail-out, Verbot der monetären Staatsfinanzierung) aufrechterhalten werden“, lautet ein weiterer zentraler Vorwurf in dem Brief. „Um die Eurozone zukunftsfähig zu gestalten, ist jedoch ein funktionierendes regelbasiertes, kontrollier- und sanktionierbares Regelwerk notwendig“, mahnen die Autoren.

Mit dem Brief droht ein alter Konflikt zwischen der EZB und der deutschen Öffentlichkeit erneut aufzubrechen. Nirgendwo sonst ist die ultralockere Geldpolitik der EZB derart umstritten wie in Deutschland. Nachdem Christine Lagarde im November 2019 das Amt von Mario Draghi übernommen hatte, hatte sich das Verhältnis aber etwas beruhigt.

Die Kritik kommt nun zudem zu einem Zeitpunkt, da auch im EZB-Rat wieder Kontroversen über den weiteren Kurs ausgebrochen sind – speziell über die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP. Einige Notenbanker liebäugeln mit einem möglichst zeitigen Auslaufen, andere warnen vor einem übereilten Exit. Die nächste Zinssitzung am 10. Juni verspricht da besondere Spannung. Zugleich hat die Debatte über die Folgen der Geldpolitik für die soziale Ungleichheit Fahrt aufgenommen.

Die Autoren sehen vor allem sechs Gefahren durch die EZB-Politik: Inflation und daraus folgend „gesellschaftliche Verwerfungen“, weil steigende Preise vor allem weniger vermögende und einkommensschwache Menschen träfen; eine strukturelle Wachstumsschwäche durch Fehlanreize infolge dauerhafter Negativzinsen; Gewöhnungseffekte durch anhal­tende Staatseingriffe in die Marktwirtschaft; eine Entmündigung der Politik durch das „Rundum-sorglos-Paket“ der EZB; eine Schwächung des Bankensystems; und die Gefährdung des Zusammenhalts der EU.

Die Autoren kritisieren aber auch insgesamt die Schuldenpolitik in der EU. Sie wenden sich vehement gegen Vorschläge, den Corona-Wiederaufbaufonds zu einer Dauereinrichtung zu machen, und fordern Konzepte zur Rückführung der stark gestiegenen Staatsverschuldung. Als „Königsweg“ bezeichnen sie die „alsbaldige Rückkehr zu einer soliden, nachhaltigen Finanz- und marktwirtschaftlichen Wachstumspolitik“.

Karlsruhe entscheidet

Derweil will das Bundesverfassungsgericht am heutigen Dienstag mitteilen, ob sein umstrittenes Urteil zu den EZB-Staatsanleihenkäufen ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Das teilte das Gericht am Montag mit. Karlsruhe hatte gefordert, die EZB müsse die Verhältnismäßigkeit der Käufe nachweisen. Die EZB hat darauf reagiert. Die Kläger sehen die Gerichtsvorgaben aber nicht erfüllt.