Schlechte Nachricht für die EZB von der Preisfront

Prognostiker nehmen Inflationserwartung für 2020 auf 1,8 Prozent zurück - Draghi betont Entschlossenheit

Schlechte Nachricht für die EZB von der Preisfront

ms Frankfurt – Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) regelmäßig befragten Experten aus Finanz- und Nichtfinanzinstituten haben ihre längerfristigen Inflationserwartungen leicht gesenkt. Auf Sicht von fünf Jahren erwarten sie nun 1,8 % Inflation, wie aus der am Freitag veröffentlichten neuen Vierteljahresumfrage der EZB hervorgeht. Bei der Umfrage im Oktober waren sie noch von 1,9 % ausgegangen. Für 2016 nahmen sie ihre Erwartungen noch deutlicher nach unten – von 1,0 % auf 0,7 %.Für die EZB ist das eine schlechte Nachricht und dürfte ein Grund sein für die Bereitschaft im EZB-Rat, die Geldpolitik erneut zu lockern. EZB-Präsident Mario Draghi hatte nach der Sitzung am Donnerstag überraschend eine weitere Lockerung in Aussicht gestellt – und zwar schon für März. Die Umfrageergebnisse dürften dem Rat schon vorgelegen haben. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos untermauerte Draghi am Freitag die Bereitschaft. Der Rat habe “die Entschlossenheit, den Willen und die Fähigkeit”, falls nötig alle verfügbaren Instrumente einzusetzen, wiederholte er.Vor allem die längerfristigen Inflationserwartungen spielen für die Euro-Hüter eine große Rolle. Sie haben über die Preis- und Lohnsetzung nicht nur großen Einfluss auf die tatsächliche Inflation in der Zukunft. Sie gelten den Notenbankern auch als Ausweis der Glaubwürdigkeit der EZB. Im aktuellen Umfeld, in dem die Inflation knapp über null liegt und es sogar Deflationssorgen gibt, ist die Bedeutung umso wichtiger. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von “unter, aber nahe 2 % an”.Der Rückgang der längerfristigen Inflationserwartungen in der EZB-Umfrage fällt nun zwar gering aus – nicht gerundet von 1,86 % auf 1,80 %. Allerdings gelten diese Umfrageergebnisse als generell wenig volatil und schon kleine Veränderungen als wichtig. Hinzu kommt, dass auch die marktbasierten Inflationserwartungen auf kurze wie mittel- und längerfristige Sicht zuletzt wieder deutlich nachgegeben haben – parallel zum neuerlichen Ölpreisverfall. Darüber hatte sich Draghi am Donnerstag ebenfalls sehr besorgt geäußert. Die Sorge ist umso größer, als die Euro-Inflationsrate in den nächsten Monaten wieder unter 0 % sinken könnte, wie auch Draghi sagte. Robustes WachstumUngeachtet der Abwärtsrevisionen erwarten die Experten aber weiter grundsätzlich ein Anziehen der Inflation im Euroraum in den nächsten Jahren – nicht zuletzt vor dem Hintergrund robusten Wachstums (siehe Grafik). Für 2018 prognostizieren sie bei einem Wachstum von 1,7 % eine Inflationsrate von 1,6 %. Das stützt auch das generelle Konjunkturbild und die Erwartungen der EZB zur Inflationsentwicklung. Allerdings sieht die EZB erhöhte Risiken – etwa die größere Unsicherheit wegen der Schwellenländer und die Unruhe an den Finanzmärkten.Eine zentrale Rolle für den weiteren Kurs der EZB werden nun die neuen Prognosen für Wachstum und Inflation spielen, die die EZB-Volkswirte bei der März-Sitzung vorlegen. Die Umfrage unter den Experten gibt da einen Vorgeschmack auf mögliche Abwärtsrevisionen. Die erwartete Teuerung von 0,7 % im laufenden Jahr liegt aber noch deutlich oberhalb dessen, was manche Volkswirte erwarten. BNP Paribas etwa sagt im Jahresdurchschnitt Nullinflation voraus – so wie bereits 2015. Die DZ Bank prognostiziert gar – 0,1 %.An der neuen EZB-Umfrage sind vor allem auch die Ergebnisse für 2018 interessant, weil die EZB-Volkswirte bei der März-Sitzung erstmals Prognosen für das Jahr publik machen. Diesen kommt wegen des geldpolitischen Horizonts eine große Bedeutung für den weiteren Kurs zu. Die von den Experten geschätzten 1,6 % dürften zwar unterhalb dessen liegen, was viele Euro-Notenbanker als in Einklang mit “unter, aber nahe 2 %” ansehen. Es stellt sich aber die Frage, ob das weitere starke Lockerungen der Geldpolitik rechtfertigt. Kurz vor der jüngsten Sitzung des Rats hatte Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, die EZB solle angesichts der vor allem durch das billige Öl gedrückten Inflation mehr Geduld haben und ihren Horizont verlängern zur Erreichung des 2-Prozent-Ziels – also wie sie “mittelfristig” interpretiert (vgl. BZ vom 21. Januar).