Schwacher US-Jobaufbau enttäuscht
det Washington
Das Stellenwachstum in den USA hat sich im August dramatisch verlangsamt und schürt die Sorgen vor den Folgen der grassierenden Delta-Variante des Coronavirus. Der schwache Arbeitsmarktbericht lässt auch Unsicherheit darüber aufkommen, wann die Notenbank tatsächlich beginnen könnte, noch im laufenden Jahr ihre monatlichen Anleihekäufe zu drosseln („Tapering“). Gerade vergangene Woche hatte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell gesagt, dass es „angemessen sein könnte“, bereits vor Jahresende die Käufe zurückzufahren. Allerdings knüpfte Powell dies auch an einen stabilen Arbeitsmarkt.
Wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums berichtete, entstanden im August ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft nur 235000 neue Arbeitsplätze. Befragte Bankvolkswirte hatten ein dreimal so hohes Wachstum von knapp über 700000 neuen Jobs erwartet. Die Arbeitslosenquote sank entsprechend den Erwartungen von 5,4 auf 5,2%. Die Erwerbslosenquote befindet sich damit auf dem tiefsten Stand seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie.
Überrascht waren Analysten vor allem darüber, dass im Gast- und Freizeitgewerbe die Neueinstellungen gegenüber dem Vormonat unverändert blieben. In beiden Branchen, die lange Zeit die Erholung am Arbeitsmarkt gestützt hatten, waren in den vorangegangenen sechs Monaten durchschnittlich 350000 neue Stellen geschaffen worden. Angeführt wurden der Jobaufbau nun stattdessen von Fachdienstleistern, bei denen das BLS ein Plus von 74000 meldete. Positive Beiträge kamen auch aus dem Transportsektor, dem Bildungswesen und dem verarbeitenden Gewerbe. Der Einzelhandel strich hingegen überraschend 29000 Stellen.
Experten räumten ein, dass der Arbeitsmarktbericht sie auf dem falschen Fuß erwischte. So hatte zwar bereits der Bericht des Arbeitsmarktdienstleisters Automatic Data Processing (ADP) eine überraschend geringe Zahl von Neueinstellungen im Privatsektor dokumentiert und somit ahnen lassen, dass der BLS-Bericht ebenfalls schwach ausfallen würde. Gleichwohl hatte es während der Pandemie teils erhebliche Abweichungen zwischen den beiden Statistiken gegeben.
Möglicher Ausreißer
„Es handelt sich jedenfalls um einen ernüchternden Weckruf, der uns zeigt, welche dramatischen Folgen die Delta-Variante haben kann und inwieweit die Pandemie auch weiter die Marschrichtung vorgibt“, sagte Daniel Zhao, Ökonom beim Online-Arbeitsmarktvermittler Glassdoor.com. Andere Ökonomen geben hingegen Entwarnung und meinen, dass saisonale Schwankungen eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben dürften. „Der August ist ein Urlaubsmonat, in dem es traditionell schwierig ist, akkurate Messungen vorzunehmen“, erklärte Tony Bedikian, geschäftsführender Direktor bei Citizens Bank in Boston, warum es sich um einen Ausreißer gehandelt haben könnte.
Der Bericht wird wohl die Debatte darüber anheizen, ob die US-Notenbank tatsächlich noch in diesem Jahr das Tapering einleiten wird. Powell hat gesagt, dass die hohe Inflation allein einen solchen Kurswechsel nicht rechtfertigen würde. Ein weiteres Indiz lieferte nun auch die Lohnentwicklung. Laut BLS stiegen die Stundenlöhne im Vorjahresvergleich um 4,3%. Der Fed-Chef will aber außerdem weitere, „signifikante Fortschritte“ am Arbeitsmarkt sehen, ehe das Tapering beginnen könne.
Dazu zählt er insbesondere einen Rückgang der Erwerbslosenquote, die ihm beim Stand von 5,4% jedoch noch „viel zu hoch“ war. Sorgen bereiten Powell aber auch die Unebenheit der Erholung und die weiter niedrige Partizipationsrate, die im August unverändert bei 61,7% lag. Während die meisten Ökonomen bisher damit gerechnet hatten, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) bereits bei seiner Sitzung am 21. und 22. September einen Zeitplan für das Tapering bekannt geben könnte, rechnen nun viele damit, dass es erst im November oder Dezember dazu kommen wird.