Schweizer Wähler provozieren Showdown im Bundesrat

Schweizerische Volkspartei pocht nach Parlamentswahl auf eine stärkere Vertretung in der Regierung

Schweizer Wähler provozieren Showdown im Bundesrat

Von Daniel Zulauf, ZürichAcht Jahre nachdem das Schweizer Parlament den seinerzeitigen Justizminister Christoph Blocher in einer denkwürdigen Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Bundesrat verbannt hatte, kann dieser nun auf Revanche hoffen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Blocher als Vizepräsident und großzügiger Geldgeber seit Jahren auf einem strammen nationalkonservativen Kurs hält, ist am Sonntag als große Siegerin aus der helvetischen Parlamentswahl hervorgegangen. Die Partei hat einen Wähleranteil von nahezu 30 % eingeheimst und ihr bisheriges Rekordergebnis von 2007 damit nochmals deutlich übertroffen. Mit 65 Sitzen hat sie als stärkste Kraft in der großen Parlamentskammer (Nationalrat) weiter an Gewicht gewonnen. Offen bleibt derweil das Rennen in der kleinen Kammer (Ständerat), in die jeder Kanton (Bundesland) zwei Vertreter entsenden kann. In zahlreichen Kantonen wird im November ein zweiter Wahlgang nötig.Zwar mag der SVP-Gewinn von 2,9-Wählerprozenten auf den ersten Blick nicht wie ein Triumph erscheinen, doch in der Schweiz, wo sich die politischen Mehrheiten von Wahl zu Wahl meist nur geringfügig verschieben, ist dies durchaus ein historischer Sieg. Dieser wird in den nächsten vier Jahren nicht ohne Auswirkungen auf die Tagespolitik bleiben. Dafür sorgt auch die zweitstärkste bürgerliche Kraft, die wirtschaftsliberale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die nach zwanzigjährigem Siechgang erstmals wieder deutlich Boden gewinnen konnte. Nimmt man die SVP und die FDP als “bürgerlichen” Block zusammen, besitzt dieser nun beinahe die absolute Mehrheit im Nationalrat. Bürgerlicher Block uneinsDie Frage ist allerdings, inwieweit dieser Block tatsächlich eine Einheit bildet. In der Vergangenheit war dies vor allem in wirtschaftlich wichtigen Belangen öfters nicht der Fall gewesen. Zum Prüfstein wird die Umsetzung der von der SVP lancierten Masseneinwanderungsinitiative, die das Schweizer Volk im Februar 2014 überraschend angenommen hatte und die im kommenden Jahr bis zum Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist umgesetzt werden muss. Während die SVP auf eine konsequente und wortgetreue Umsetzung des Volksbegehrens beharrt, warnt vor allem die FDP, dass ein solches Vorgehen den Weg der Schweiz mit der EU gefährden und dem Land als Standort großer multinationaler Unternehmen dauerhaften Schaden zufügen könnte. Die aktuellen Wahlanalysen zeigen, dass die SVP den Sieg insbesondere ihrer harten Haltung in der Zuwanderungsfrage verdankt. Ein Schulterschluss der beiden Parteien dürfte in diesem Bereich keine einfache Sache werden.Ein deutlicher Kursschwenk kann indessen bei der Energiestrategie erwartet werden. Ein Stopp des von der Regierungsbehörde (Bundesrat) schon längst angekündigten schrittweisen Atomausstieges ist seit Sonntag noch wahrscheinlicher geworden, als er es zuletzt ohnehin schon war. Einen Gang zurückschalten könnte die Schweiz in Zukunft auch bei der Übernahme von internationalen Standards im Finanzbereich. Vorstöße der G 20-Länder, zu denen etwa die OECD-Initiativen zur Einführung des Automatischen Informationsaustausches in Steuersachen oder deren Projekt zur Schließung von Steuerschlupflöchern von Großkonzernen (Base Erosion and Profit Shifting) zu zählen sind, stoßen in der SVP erfahrungsgemäß auf erheblichen Widerstand, was ebenfalls nicht unbedingt im Interesse der FDP und anderer bürgerlicher Parteien liegt. Die neu geformten politischen Kräfte in der Schweiz werden sich in der kommenden Legislaturperiode auch mit so anspruchsvollen Themen wie mit der Rentenreform befassen müssen. Einen einfachen Leistungsabbau werden sich die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht gefallen lassen. Gefragt ist hier eine hohe Konsensfähigkeit. Mit dieser Qualität konnte sich in der Vergangenheit die SVP jedoch nicht rühmen.Ein erster Funktionstest für das Parlament ist die Bundesratswahl im Dezember. Acht Jahre nach Blochers Ausschluss aus der Regierung erhebt dessen Partei nun vehementer denn je Anspruch auf einen zweiten Sitz in der siebenköpfigen Exekutivbehörde. Dafür nötig ist aber eine Mehrheit in beiden Kammern.