LEITARTIKEL

Si oder No

Si oder No, Ja oder Nein: Bei der Volksabstimmung am Sonntag geht es in Italien nicht nur um eine Verfassungsreform. Es geht um weit mehr. Um die politische Stabilität der drittgrößten Wirtschaftsmacht Europas, um die Zukunft der Reformpolitik, um...

Si oder No

Si oder No, Ja oder Nein: Bei der Volksabstimmung am Sonntag geht es in Italien nicht nur um eine Verfassungsreform. Es geht um weit mehr. Um die politische Stabilität der drittgrößten Wirtschaftsmacht Europas, um die Zukunft der Reformpolitik, um den Fortschritt, um den Verbleib im Euro. Auch wenn es sich bei der Verfassungsreform um eine rein italienische Angelegenheit handelt, wirft die Abstimmung Schatten auf ganz Europa. Sicher ist, dass der Ausgang des Referendums, sollten die Reformgegner gewinnen, die Radikalpopulisten des Komikers Beppe Grillo, der Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S), nicht gleich an die Macht bringen wird.Eine grundlegende Verfassungsreform ist keine Kleinigkeit. 46 der 139 Paragrafen sollen geändert werden. Es handelt sich um die größte der drei Reformen der vor 70 Jahren erlassenen Verfassung. Es geht vor allem um die Abschaffung des bisherigen Zweikammersystems, um ein neues Verhältnis zwischen Staat und Regionen. Außerdem soll mit dem Referendum die Verwaltungsebene der Provinzen abgeschafft werden. Kurz gesagt soll die Reform den bisher langwierigen Gesetzesweg beschleunigen und den Zentralstaat stärken, um Italien regierungs- und zukunftsfähig zu machen. Die Einwände der Opposition, dass es etwa zu einer Machtkonzentration der Regierungspartei kommen würde und dass die Demokratie in Gefahr ist, da es dann weniger gewählte Abgeordnete gibt, sind weitgehend an den Haaren herbeigezogen.Beim Referendum geht es aber primär um ein Si oder No zur Regierung Renzi. Dieser hatte das Referendum einst mit einer gewissen Überheblichkeit an sein eigenes politisches Überleben geknüpft. Das war ein Fehler. Renzi selbst hat zwar in den letzten Monaten einen Rückzieher gemacht. Sollte die Reform abgelehnt werden, ist ein Rücktritt Renzis so gut wie sicher – er hat aber dieser Tage durchblicken lassen, dass er auch das Handtuch werfen könnte, sollte die Reform durchgehen.Laut den jüngsten Meinungsumfragen haben die Reformgegner einen beachtlichen Vorsprung. Doch Meinungsumfragen können irren, wie die jüngsten Erfahrungen in den USA und Großbritannien beweisen. Schließlich zeigt sich ein Viertel der Wähler noch kurz vor dem Referendum unentschlossen, ob es mit Si oder No stimmt. Die Opposition hat nur zwei Ziele: Renzi nach Hause zu schicken und aus dem Euro auszutreten. Die No-Fraktion reicht von ganz rechts (Fratelli Italia) über die einst separatistische Bewegung Lega Nord, die gemäßigtere Forza Italia bis zur radikalen Linken. Grillo, Chef der M5S, hat für den Fall, dass die Verfassungsreform nicht durchgeht, bereits ein Referendum über den Verbleib Italiens im Euro angekündigt. Forza Italia und Lega Nord wollen ihn dabei unterstützen.Zweifellos werden die Finanzmärkte auf die Abstimmung reagieren, auch wenn Börsianer darauf verweisen, dass eine Niederlage von den Finanzmärkten bereits vorweggenommen wurde. Internationale Investoren könnten sich künftig mit ihren Anlagen in Italien noch mehr zurückhalten. Darunter würde primär der Bankensektor leiden, in dem Kapitalerhöhungen von insgesamt 20 Mrd. Euro anstehen. Die Krisenbank MPS plant eine Kapitalerhöhung von 5 Mrd. Euro, Unicredit von bis zu 13 Mrd. Euro. Mehrere kleinere Banken müssen ebenfalls ihre Kapitaldecke festigen. Die Kreditinstitute machen das Gelingen ihrer Kapitaloperationen weitgehend vom Referendum abhängig. Doch Italiens Banken stehen auf jeden Fall schwierige Zeiten bevor, ganz gleich, wie die Volksabstimmung auch ausgehen mag.Möglich ist nach einem Nein vieles: Gemunkelt wird von einer technischen Übergangsregierung oder einem gesichtswahrenden Rücktritt Renzis, der aber vom Staatspräsidenten schnell wieder einen Regierungsauftrag bekommen könnte. Es soll bereits geheime Absprachen geben über eine Neuauflage des “Patto del Nazareno”, der einstigen Koalition zwischen der Regierungspartei Partito Democratico (PD) und Berlusconis Forza Italia. Dies würde zumindest die dringend nötige Fortsetzung der Reformpolitik erleichtern. Es gibt zahlreiche andere Konstellationen: Dabei ist eine Regierungsumbildung, etwa unter dem gegenwärtigen Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan, nicht auszuschließen. Sicher ist: Die parlamentarische Mehrheit Renzis bleibt trotz Referendum unberührt. Da das Wahlgesetz reformiert werden muss und außer den Grillini derzeit niemand Neuwahlen will, sind diese vorerst auszuschließen.——–Von Thesy Kness-BastaroliBei dem Referendum in Italien geht es um mehr als nur die Verfassungsänderung: Es geht um ein Si oder No zur Regierung Renzi. Neuwahlen will aber niemand.——-