SERIE: REFORMPOLITIK IN DER EUROZONE (12) - SLOWENIEN

Slowenien erzielt Restrukturierungserfolge, wird aber müde

Hohe Kosten für Bankenrettung wirken nach - Kein substanzieller Schuldenabbau in Sicht

Slowenien erzielt Restrukturierungserfolge, wird aber müde

Von Gunter Deuber *)Slowenien hat eine der heftigsten Rezessionen in der EU und der Eurozone durchlaufen, weist aber seit 2014 überdurchschnittlich hohes Wachstum auf. Die Arbeitslosenquote hat sich bei 9 % stabilisiert, der Eurozonenschnitt beträgt über 11 %; in einigen der sogenannten “Programmländer” wie Griechenland sogar deutlich mehr. Aufschwung ausbalanciertDie Fähigkeit, exportgetriebenes Wachstum und einen ausbalancierteren Aufschwung zu generieren, zeigt, dass Slowenien prinzipiell wettbewerbsfähig ist. Es gibt einen hinreichend großen Exportsektor. Die jüngste Lohnzurückhaltung im öffentlichen und privaten Sektor wirkte hier unterstützend. Doch die Rückkehr zu akzeptablen Wachstumsraten ist ein zweischneidiges Schwert: Es fällt dadurch leichter, weitere Reformen aufzuschieben.Slowenien steckt noch in einer nicht abgeschlossenen Anpassungsphase. Das Land befindet sich noch im EU-Verfahren für Fiskaldefizite und für makroökonomische Ungleichgewichte. 2014 lag das Budgetdefizit bei 4,9 %; für 2015 sind 3 % angepeilt. In den letzten Jahren sind die Staatsschulden von 20 % auf 80 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hochgeschnellt.Dieses Niveau, leicht unter dem enttäuschenden 90 %-Schnitt der Euro-Länder liegend, sowie der derart heftige Anstieg in so kurzer Zeit implizieren Reformdruck. Auch Slowenien wird mittelfristig am Schwellenwert von 60 % des BIP beziehungsweise im schrittweisen Abbau der Verschuldung dahin gemessen. Die mittelfristige Budgetplanung ist jedoch wenig ambitiös. Für die kommenden zwei Jahre wird ein Defizit von 2 % angepeilt, danach eines von 2,5 %. Dies reicht nicht aus, um die Staatsschuldenquote substanziell zu senken. Und die nächste Rezession in der Eurozone kommt früher oder später und wird dann die slowenischen Staatsschulden entsprechend hochtreiben.Das Gros der heutigen Verschuldung geht auf überproportional hohe Kosten zur Rettung oder Umstrukturierung von Banken zurück – 8,5 Mrd. Euro, bei einem BIP von 38 Mrd. und Bankaktiva von in der Spitze knapp 50 Mrd. Euro. Das bedeutet also, dass Slowenien mit einem BIP-Anteil von unter 1 % in der Eurozone rund 2 % der Bankenrettungskosten in der Währungsunion verursacht hat. Um in vergleichbare Dimensionen zu gelangen, hätte Deutschland beispielsweise mindestens 500 Mrd. Euro ausgeben müssen. Die Deutsche Bundesbank beziffert die tatsächlichen Kosten der nationalen Bankenrettung aber auf rund 230 Mrd. Euro.Die slowenischen Banken haben zu lange massive makroökonomische Fehlentwicklungen finanziert. Dies spiegelte sich in rasch steigenden Unternehmensschulden sowie einem Gewerbeimmobilienboom. Über Schulden ließ sich diese Expansion in den Euroland-Kreditboomjahren einfach finanzieren. Insofern hat Slowenien zu früh oder zum falschen Zeitpunkt den Euro eingeführt, da er zu einer günstigen Aufnahme neuer Schulden verhalf.Verschärft wurde diese Dynamik durch enge und von Partikularinteressen geprägte Verbindungen zwischen lokalen Banken und Firmen, zum Teil staatlich oder staatsnah. Zur Entsorgung der Altlasten wurde 2013 eine ansehnliche Bad Bank gegründet, die mittlerweile fast 5 Mrd. Euro an schlechten Krediten verwaltet.Durch die Bankenrettung und die Verstaatlichung von Kreditinstituten fielen viele Vermögenswerte dem Staat zu, was den Staatseinfluss weiter erhöhte. Heute hat kaum ein anderes Land innerhalb der EU einen höheren Staatseinfluss. Es gibt das mittelfristige Ziel umfassender Privatisierungen. Solche Zusagen wurden auch der EU gemacht. Bei der Umsetzung gibt es, trotz vorteilhaften Umfeldes für Mergers & Acquisitions (M & A) und für Private-Equity-Transaktionen, allerdings Fragezeichen. Die Privatisierung der staatlichen Telekom wurde unlängst abgeblasen. Der interessierte Private-Equity-Investor verwies auf ein hemmendes Gesamtumfeld. Schwierige PrivatisierungPositiv zu sehen ist der in diesem Sommer erfolgte Verkauf einer großen, verstaatlichten Bank an einen privaten Finanzinvestor sowie die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD). Das EBRD-Engagement zeigt aber auch: Versäumte Transformationsaufgaben müssen nun nachgeholt werden. Die Investoren sind heute eher skeptisch, was zukünftige Privatisierungen anbelangt, denn in der Vergangenheit war Slowenien in diesem Bereich vergleichsweise zurückhaltend. Ohne Privatisierungen oder den Zufluss von Auslandskapital wird die slowenische Wirtschaft allerdings weiter unter (Eigen-)Kapitalmangel leiden. Viele Unternehmen sind verschuldet, was den Spielraum für Investitionen und Innovationen hemmt.Die makroökonomischen Kennziffern Sloweniens stabilisieren sich aber, und strukturelle Reformagenden werden deswegen zunehmend schleppend angegangen. Dies ist exemplarisch für aktuelle Implementierungsprobleme von notwendigen Reformen in Europa, die teilweise auch durch eine geschärfte wirtschaftspolitische Governance der EU eingefordert werden. Die meisten Euro-Länder glänzen derzeit nicht mit Reformdynamik, was aus politökonomischer Sicht auf einen zaghaften Aufschwung sowie ultraniedrige Zinsen oder fehlende Kapitalmarktdisziplinierung zurückgeführt werden kann. Nach einem Rückgang in den Krisenjahren ist auch in Slowenien der Anteil nicht gebietsansässiger Staatsanleihe-Investoren wieder auf über 60 % gestiegen.Nicht vergessen werden darf indes, dass der Kleinstaat – obwohl fundamental gesehen längere Zeit ein Rettungspaket-Kandidat – nie aktiv Hilfe bei der EU oder der Eurogruppe angefordert hatte; nur indirekt hat man von der Draghi-Rede (“Whatever it takes”) und Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) profitiert. Insofern ist eine geringere (Reform-)Bringschuld erkennbar. Zumal der Katalog notwendiger Maßnahmen, mit Ausnahme der Privatisierung, auf fast jedes Euro-Land anwendbar wäre und viele Kennzahlen zum Eurozonenschnitt nicht deutlich auffällig sind.Des Weiteren ist das Gewicht Sloweniens in der EU und Eurozone so gering, dass sich relevante Institutionen trotz formal geschärfter wirtschaftspolitischer Steuerung auf größere Länder und akute Reformbaustellen konzentrieren. Dabei ist zu beachten, dass das slowenische Einkommensniveau nur bei 75 % des Eurozonenschnitts liegt, was für einige Indikatoren auf niedrigere Schwellenwerte im Sinne der Tragfähigkeit – etwa der (Staats-)Verschuldung – hindeuten kann.—-*) Gunter Deuber ist Head of CEE-Research bei der Raiffeisen Bank International. Zuletzt erschienen:- Frankreich (5. September)- Finnland (8. September)- Slowakei (9. September)Nächster Teil: Irland