Spanien macht Druck bei Energiemarkt-Reform
ths/rec Madrid/Brüssel
Die spanische Regierung prescht mit einem Vorschlag für eine zügige Reform des europäischen Energiemarktes vor. Als erstes EU-Mitglied haben die Spanier einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Die Linksregierung empfiehlt, Gas und Kohle vom Preisbildungsmechanismus auszuklammern, damit die deutlich günstigeren Quellen wie erneuerbare Energien Verbrauchern und Wirtschaft zugutekommen.
Die EU-Kommission will im Frühjahr ihren Vorschlag zur Reform der Strommärkte vorstellen und dafür einen öffentlichen Ideenwettbewerb anregen. Die Brüsseler Behörde hat bereits klargemacht, dass sie ähnlich wie nun die Spanier die Strompreise von den Gaspreisen abkoppeln will. Bislang sorgt das sogenannte Merit-Order-Prinzip dafür, dass sich die Strompreise am teuersten Kraftwerk im Markt orientieren.
Ausnahmeregel aus Brüssel
Die drastisch gestiegenen Erdgaspreise haben deshalb über Monate die Kosten für andere Quellen wie Ökostrom oder Atomkraft getrieben. Das bescherte den Betreibern günstigerer Energieträger enorme Übergewinne, zu Lasten der Verbraucher. Daran stößt sich die Regierung in Madrid. Sie hat deshalb „Vorschläge und Anregungen“ nach Brüssel geschickt, wie die Ministerin für die Energiewende, Teresa Ribera, im Anschluss an die wöchentliche Kabinettssitzung erklärte.
„Wir meinen, ausreichend Erfahrung zu haben, um zu wissen, was funktioniert“, sagte Ribera in Anspielung auf die Ausnahmeregel, die Spanien und Portugal voriges Jahr in Brüssel für ihre Strommärkte ausgehandelt hatten. Die Iberer klammern seitdem den Gaspreis vom Merit-Order-Mechanismus zur Preisfindung aus. Die am Tagesmarkt teuerste Energiequelle gibt somit in Spanien und Portugal nicht mehr den Tarif für alle anderen vor.
Spanien hat seit Einführung der sogenannten „iberischen Ausnahmeregel“ seinen Stromkunden 4,5 Mrd. Euro gespart, wie Ribera am Dienstag mitteilte. Madrid beantragte daher bei der Kommission die Verlängerung der Ausnahmeregel für ein weiteres Jahr bis Juni 2024. Mitte Februar soll EU-weit ein Gaspreisdeckel in Kraft treten. Darauf haben sich die Energieminister kurz vor Weihnachten verständigt.
Der spanische Vorschlag zielt auf deutlich mehr Regulierung und weniger Markt ab. Für erneuerbare Energien sollen mittelfristige Lieferverträge zu festen Konditionen abgemacht werden. Ähnliches gilt für die Produktion von Atomkraft und Wasserstoff, die gleichfalls als Energiereserven geschützt werden sollen für Tage, an denen Wind und Sonne wenig Strom erzeugen. Der Preis von Gas und Kohle sollen demnach weiter vom Markt vorgegeben werden, jedoch nicht mehr als Referenz für die übrigen Energiequellen gelten.
„Es ist wahrscheinlich, dass dieser Mechanismus keine sofortige Wirkung zeigen wird, aber nach und nach wird er die Volatilität an den Märkten deutlich reduzieren“, erklärte Ribera. Spanien will die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und setzt stark auf den Wasserstoff als Zukunftsenergieträger. Die Spanier hatten bereits vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor einem Jahr und der folgenden Explosion der Gaspreise für eine Reform des europäischen Energiemarktes geworben.