Wirtschaftspolitik

Spanien verhandelt über Großumbau des Jobmarktes

Am Dienstag haben sich die beiden Koalitionspartner der Minderheitsregierung nach langen Querelen darauf verständigt, die ungeliebte Arbeitsmarktreform der konservativen Vorgängerregierung „abzuschaffen“.

Spanien verhandelt über Großumbau des Jobmarktes

ths Madrid

Für die spanische Linksregierung hat die entscheidende Phase ihrer wirtschaftspolitischen Vorhaben begonnen. Am Mittwoch fand im Parlament der Auftakt der Haushaltsdebatte statt. Fast zu gleicher Zeit trafen sich die zuständigen Mi­nisterien mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, um über die Reform des Arbeitsmarkts zu verhandeln. Dazu gab es am Mittwoch gute Nachrichten. „Die Beschäftigung hat wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht“, sagte Finanzministerin María Jesús Montero gleich zu Beginn ihrer Rede zum Haushalt.

Die Zahl der bei den Ämtern registrierten Erwerbslosen ist erstmals seit 46 Jahren im Oktober nicht gestiegen. Im Monat Oktober gibt es wegen des Endes der Tourismussaison sonst immer schlechte Zahlen. Doch verharrt die Arbeitslosenquote bei knapp 15% und die strukturellen Probleme, wie der hohe Anteil an Zeitarbeit, bleiben. Die Europäische Kommission hat eine Reform des Arbeitsmarktes zur Bedingung für den Erhalt der Gelder aus dem europäischen Aufbaufonds gemacht. Doch wie diese Reform ausfällt, ist bei weitem noch nicht klar.

Am Dienstag hatten sich die beiden Koalitionspartner der Minderheitsregierung – die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez und das Linksbündnis Unidas Podemos – nach langen Querelen darauf verständigt, die ungeliebte Arbeitsmarktreform der konservativen Vorgängerregierung „abzuschaffen“. Das Maßnahmenpaket wurde im Zuge der Finanzkrise 2012 auf den Weg gebracht und sah eine erhebliche Schwächung der Arbeitnehmerrechte vor. Das hat Experten zufolge der Schaffung von Arbeitsstellen geholfen, zugleich aber prekäre Verhältnisse und andere Missstände verschärft.

„Es geht nun nicht darum, die Dinge einfach nur verändern zu wollen, sondern um unseren Kurs. Die Tarifpartner scheinen bei der Sache zu sein“, sagte Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Die Sozialistin spielte persönliche Differenzen mit der Arbeitsministerin Yolanda Díaz von Unidas Podemos herunter, über die im Vorfeld ausgiebig berichtet worden war. Calviño wird größere Nähe zu den Arbeitgebern und den Positionen in Brüssel nachgesagt, während Díaz radikalere Einschnitte zugunsten der Arbeitnehmer fordert. Statt von „Abschaffung“ der Arbeitsmarktreform von 2012 spricht Calviño lieber von einer „Modernisierung“.

Bei den Reformplänen geht es zum einen um die Tarifverhandlungen. Die sektoralen Tarifverträge sollen wieder Vorrang vor denen auf Unternehmensebene haben und nicht mehr automatisch und ersatzlos auslaufen. Der Missbrauch mit der Auslagerung von Arbeit an Subunternehmer von Zeitverträgen soll eingeschränkt werden.

Am Vortag wurden Pläne für eine vorübergehende Anhebung der Beiträge zur Sozialversicherung bekannt. Für zehn Jahre sollen Beiträge um 0,5% steigen, um ein Polster für die Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge anzulegen.

Die Minderheitsregierung von Sánchez kann derweil für ihren Haushaltsplan 2022 mit den Stimmen nationalistischer Parteien aus dem Baskenland und Katalonien rechnen, die bereits angedeutet haben, dass sie dem Finanzplan wie im Vorjahr zustimmen wollen.