Geldpolitik

Spekulationen auf EZB-Zins­erhöhungen nehmen zu

Angesichts der hohen Inflation nehmen die Spekulationen auf eine deutlich raschere Straffung der EZB-Geldpolitik zu – schneller als noch vor kurzem erwartet und trotz aller gegenteiligen Beteuerungen aus der Notenbank.

Spekulationen auf EZB-Zins­erhöhungen nehmen zu

ms Frankfurt

Angesichts der hohen Inflation nehmen die Spekulationen auf eine deutlich raschere Straffung der EZB-Geldpolitik als noch vor kurzem erwartet zu – auch wenn EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht müde wird, vor einer geldpolitischen Überreaktion der Notenbank zu warnen. Am Geldmarkt wird nun sogar eine Zinserhöhung durch die EZB Ende 2022 bereits fest eingepreist. Hintergrund dürften neben den anhaltend hohen Teuerungsraten auch Aussagen einiger Euro-Notenbanker sein. Am Montag warnte etwa der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot vor Inflationsrisiken.

Seit Jahresbeginn hat die Inflation im Euroraum unerwartet stark angezogen. Im September kletterte sie auf 3,4% – der höchste Stand seit September 2008. In den nächsten Monaten könnte sie gar die Marke von 4% knacken – wie überhaupt erst einmal in einem einzigen Monat seit der Euro-Einführung. Das hat eine hitzige Diskussion ausgelöst, ob die ultralockere Geldpolitik der EZB noch an­gemessen ist. Lagarde hatte erst am Freitag erneut gemahnt, die EZB dürfe auf die hohe Inflation „nicht überreagieren“. Allerdings nehmen auch kritischere Stimmen zu. So hatten etwa Vizepräsident Luis de Guindos und Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zuletzt zumindest vor der Gefahr gewarnt, dass es zu Zweitrundeneffekten kommen könne.

Am Geldmarkt wurde nun am Montag die Wahrscheinlichkeit für eine Anhebung des EZB-Einlagesatzes von aktuell –0,5% im Dezember 2022 um 10 Basispunkte auf 100% geschätzt. Am Freitag waren die Chancen darauf laut Reuters nur auf 60% taxiert worden. Für eine Anhebung bereits im September 2022 stehen die Chancen nach Einschätzung der Akteure am Geldmarkt der Eurozone inzwischen bei mehr als 80%. Mit der vorgezogenen Erwartung einer Straffung folgen sie einem Trend, der sich bereits in Großbritannien und den USA abzeichnet.

Tatsächlich hatte der EZB-Rat seinen­ Zinsausblick (Forward Gui­dance) aber erst im Juli nach Verabschiedung der neuen EZB-Strategie nachjustiert und damit die Hürde für eine Zinserhöhung noch höher gelegt. Neben Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte auch Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch dagegen gestimmt, weil er sich nicht wohlfühlte, auf Sicht von fünf bis sechs Jahren Zinserhöhungen eher auszuschließen, wie er später sagte. Aktuell berät der EZB-Rat zudem zu­nächst vor allem die Zukunft der beispiellosen Anleihekäufe und insbesondere des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP. Diskutiert werden da in der EZB sogar Möglichkeiten, bei einem Ende von PEPP im März 2022 andere Kaufprogramme aufzustocken oder neu aufzulegen.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane stemmte sich am Montag erneut gegen Spekulationen auf eine baldige Straffung. Bei den Dienstleistungen sei der Preisanstieg schwach, Gleiches gelte auch für das Wachstum der Löhne, sagte Lane: „Der Auslöser für geldpolitisches Handeln ist nicht vorhanden.“ Dagegen warnte EZB-Ratsmitglied Knot Investoren an den Fi­nanzmärkten vor den Gefahren einer hohen Inflation. Es gelte sich dieser Risiken bewusst zu sein, um plötzliche Korrekturen zu vermeiden. Der gegenwärtige Risikoappetit an den Börsen könne nur mit einer niedrigen Inflation und niedrigen Zinsen beibehalten werden. Er rechne zwar immer noch damit, dass der derzeitige Inflationsanstieg größtenteils vorübergehend sei. Aber es müssten auch andere Szenarios betrachtet werden.