EUROPA HAT DIE WAHL

Staaten wollen Kontrolle über EU-Jobs behalten

Klimapolitik wird auf Sibiu-Gipfel zum Streitthema

Staaten wollen Kontrolle über EU-Jobs behalten

ahe Brüssel – Die Neubesetzung der politischen Führungspositionen in der Europäischen Union soll nach dem Willen von EU-Ratspräsident Donald Tusk bereits zwei Tage nach der Europawahl beginnen. Tusk kündigte im rumänischen Sibiu für den 28. Mai einen Sondergipfel der 28 Staats- und Regierungschefs an, auf dem der Nominierungsprozess beginnen soll. Ziel sei eine Einigung und Nominierung der Kandidaten auf dem regulären EU-Gipfel im Juni, sagte Tusk. Es müsse in diesem Prozess eine geografische und politische Ausbalancierung geben, auch sollten Genderfragen und die Interessen von großen und kleinen EU-Staaten berücksichtigt werden.In dem Prozess geht es zunächst vor allem um die Nachfolgeregelung für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Es werden allerdings auch die Präsidentenämter im EU-Parlament, im EU-Rat und der Europäischen Zentralbank neu vergeben. Gut möglich, dass in dem Zusammenhang auch Neubesetzungen an der Spitze von Eurogruppe und Nato zur Sprache kommen. Spitzenkandidaten umstrittenMit dem schnellen Start des Nominierungsprozesses machte Tusk deutlich, dass die Staats- und Regierungschefs das Heft des Handelns bei der Vergabe der EU-Top-Jobs in den eigenen Händen behalten wollen und nicht gewillt sind, dem neuen EU-Parlament viel Zeit für eine Mehrheitsbildung zuzugestehen. Bei dem informellen Sondergipfel in Sibiu zeigten sich die Teilnehmer allerdings uneins, ob sie bei der Nominierung den vom Parlament initiierten Spitzenkandidaten-Prozess unterstützen sollen. Demnach soll nur derjenige EU-Kommissionschef werden können, der sich zuvor im Wahlkampf als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie den Wählern gestellt hat. Vor allem die liberalen Mitglieder des Europäischen Rates lehnen dieses Prinzip ab.”Ich glaube, das ist keine gute Lösung ohne transnationale Listen”, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, dessen En-Marche-Bewegung sich den Liberalen anschließen könnte. “Meine Wähler haben keine Ahnung, wer Spitzenkandidat ist”, kritisierte auch Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel. Das Spitzenkandidaten-Prinzip sei nur sinnvoll, wenn die Politiker in allen Staaten der EU antreten würden. “Jetzt sind es nur Namen.” Und Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, eine Konservative, sagte zum Spitzenkandidaten-Prinzip: “Es ist ein bisschen außerhalb der demokratischen Prozeduren und Verträge.”An dem informellen Gipfel in Sibiu (Hermannstadt) nahm die britische Premierministerin Theresa May nicht teil. Die übrigen 27 Staats- und Regierungschefs der EU verabschiedeten eine Erklärung mit zehn Verpflichtungen, die vor allem die Einigkeit der Union hervorheben. Es gebe keinen Platz für Spaltungen, die gegen das kollektive Interesse wirkten, hieß es. “Wir werden vereint durch dick und dünn gehen. Wir werden uns in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen, und wir werden stets zusammenhalten. Wir können und wir werden mit einer Stimme sprechen.” Acht für neue KlimazieleAuch der Schutz des europäischen Lebensstils, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit wurde in der Erklärung versprochen. Auf der Tagesordnung stand zudem, die strategische Agenda der Europäischen Union und ihre Prioritäten in den nächsten fünf Jahren zu diskutieren. Verabschiedet werden diese dann auf dem EU-Gipfel im Juni. In der Vorlage waren vier Oberthemen gelistet: Schutz der Bürger und der Freiheit, die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Basis, der Aufbau einer “grüneren, faireren und stärker inklusiven Zukunft” sowie die Verteidigung der europäischen Interessen in der Welt.Streit zeichnete sich dabei vor allem über die Zielsetzungen beim Kampf gegen den Klimawandel ab. Präsident Macron forderte hier ein stärkeres gemeinsames Engagement. Frankreich hatte sich schon vorab mit Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Portugal und Spanien zu neuen Zielen bekannt: Demnach soll die EU bis spätestens 2050 komplett klimaneutral sein. Deutschland hatte das Papier nicht unterzeichnet. Reformen kein großes ThemaBundeskanzlerin Angela Merkel sagte lediglich, dass sie “weite Teile dieser Initiative” teile. Auch Juncker zeigte sich skeptisch und verwies darauf, dass die EU sich bereits Ziele für 2030 gesteckt habe. Man dürfe nicht versuchen, der eigenen Verantwortung durch spätere Ziele davonzulaufen, sagte er.Wie im Vorfeld auch erwartet, wurde über konkrete Reformen der EU in Sibiu so gut wie gar nicht diskutiert. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach sich noch einmal dafür aus, die EU auf eine neue Vertragsgrundlage zu stellen. Die heutige EU sei “definitiv nicht gut genug aufgestellt”. Merkel schlug vor, künftig sechs statt vier reguläre EU-Gipfel im Jahr anzusetzen.