Staatenrating 2023: Wenig Anlass für Optimismus
Von Anna Steiner, Frankfurt
2022 war ein herausforderndes Jahr für die Bonität vieler Staaten. 2023 wird ihm kaum nachstehen. Der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen für die Preisentwicklung bei Energie und Lebensmitteln, die hohe Inflation, die Zinswende der Notenbanken und die Nachwehen der Coronavirus-Pandemie fordern ihren Tribut. Aber auch die zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA sind mittelfristig besorgniserregend, da beide Länder für viele andere Staaten der wichtigste Handelspartner sind.
Die Staatsausgaben nehmen seit Jahren in vielen Ländern immer weiter zu. Sie befinden sich auf einem kritisch hohen Niveau, ebenso wie die Staatsverschuldung weltweit (siehe Grafik). Zwar hat die Verschuldung 2022 leicht abgenommen – jedoch ausgehend von einem sehr hohen Niveau. Zuvor hatten die Regierungen weltweit Konjunkturpakete in nie dagewesenem Ausmaß geschnürt und so die Staatshaushalte stark aufgebläht.
Vulnerabilität nimmt zu
„Die Länderratings im Jahr 2022 wurden insbesondere durch die Energiekrise und ihre makroökonomischen und fiskalischen Implikationen beeinflusst“, analysiert Dietmar Hornung, Länderrating-Experte bei Moody’s. Die beiden anderen großen Ratingagenturen Fitch Ratings und S&P registrierten im vergangenen Jahr ebenfalls mehr Herabstufungen als Upgrades. Den Experten von Fitch zufolge gab es nur 2020 mehr Herabstufungen innerhalb eines Jahres.
Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Die geopolitischen Unsicherheiten infolge des Ukraine-Kriegs bleiben bestehen, die Ernährungskrise droht sich weiter zu verschärfen und vergrößert das Risiko sozialer Unruhen. Das betrifft insbesondere bereits verschuldete Entwicklungs- und Schwellenländer, die sich in hohem Maße auf Auslandsschulden stützen, was sie – zusammen mit einem Anstieg der Schuldendienstkosten – anfällig für Wechselkursschwankungen macht. Der Zugang zu den internationalen Anleihemärkten wird für viele kleinere Schwellenländer schwierig bleiben. „Steigende Inflation, fallende Währungen und höhere Rechnungen für Lebensmittelimporte bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit von Zahlungsausfällen steigt, da die Devisenreserven nicht mehr ausreichen“, analysiert Irina Topa-Serry, Senior Economist für Emerging Markets bei Axa Investment Managers.
Fitch Ratings rechnet zudem mit einer zeitgleichen Rezession in den USA und der Eurozone. Dies dürfte die Wachstumsaussichten in anderen Ländern ebenfalls belasten – insbesondere in den Schwellenländern, die von der Nachfrage in den Industrieländern stark abhängig sind. Ein schwächeres globales Wachstum im Jahr 2023 wird daher mit höheren Kosten für die Kreditaufnahme von Staaten einhergehen.
Herausforderungen warten aber ebenso auf entwickelte Volkswirtschaften – umso mehr, je größer die Abhängigkeit von Rohstoffimporten ist, je höher der externe Finanzierungsbedarf ist, je nachdem, welche Maßnahmen die jeweilige Regierung ergreift, um die hohe Inflation einzudämmen, sowie je näher der Krieg in der Ukraine ist. Insgesamt erwartet Fitch in fünf von acht Regionen verschlechterte Aussichten: in Nordamerika, Westeuropa, in den Schwellenländern Europas, Subsahara-Afrika und Asien-Pazifik. Einzig in der Region Mittlerer Osten und Nordafrika hat sich der Ausblick für die Länderratings verbessert.
Insgesamt ist zum ersten Mal seit fünf Jahren der Netto-Ausblickssaldo für Schwellenländer höher als für entwickelte Staaten. Zudem entfallen zwei Drittel der negativen Ausblicke bei Fitch auf Investment-Grade-Staaten. Ähnlich sieht es bei Moody’s und S&P aus.
„Die Staaten werden 2023 mit einem schwächeren globalen Wirtschaftswachstum, steigenden Finanzierungskosten und einem anhaltenden Ausgabendruck aufgrund der hohen Inflation konfrontiert sein“, resümiert James McCormack, Head of Sovereign bei Fitch Ratings. „Die geopolitischen Risiken sind erhöht, was bedeutet, dass politische Entscheidungen von nichtwirtschaftlichen Überlegungen geleitet werden können, was zu suboptimalen Ergebnissen für Handel und Investitionen führt.“