Steuerentlastung bleibt einsamer Wunsch des Kanzlers
Steuerentlastung bleibt einsamer Wunsch des Kanzlers
Wenig Chancen für das Steuerfortentwicklungsgesetz – Union lehnt Stückwerk ab – FDP will erst offene Fragen klären – Zu spät im Zeitplan
Von Angela Wefers, Berlin
Mehr netto vom Brutto und Wachstumsimpulse will Kanzler Olaf Scholz (SPD) trotz des Endes der Ampel Bürgern und Wirtschaft 2025 bieten. In seiner jüngsten Regierungserklärung rief er alle willigen Fraktionen im Bundestag auf mitzumachen. Die Aussicht auf Unterstützung aus der Opposition ist indessen gering.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), will die Bürger 2025 von der kalten Progression entlasten, aber auch noch eine Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag durchbringen. Auch Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative würde Scholz gern noch abschließen. Allein, dazu fehlt ihm die Mehrheit. Nur CDU/CSU oder die der Ampel abhanden gekommene FDP könnten der rot-grünen Minderheit dazu verhelfen. Danach sieht es indes nicht aus, obwohl Schwarz und auch Gelb die Ziele der Steuerentlastung mittragen. Dies hat inhaltlich und fiskalische Gründe.
„Wir haben eigene Vorstellungen, wie wir die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Dazu bedarf es eines umfassenden und koordinierten Vorgehens“, sagte Unionsfraktions-Vize Mathias Middelberg (CDU) der Börsen-Zeitung. „Versprengte einzelne Maßnahmen schaffen kein Vertrauen. Deshalb werden wir jetzt einzelnen Details, auch wenn diese für sich betrachtet sinnvoll erscheinen mögen, nicht mehr zustimmen. Solches Stückwerk macht keinen Sinn.“
FDP gesprächsbereit
Die FDP zeigt sich zumindest gesprächsbereit, wenn auch verhalten. „Die FDP will für Arbeitnehmer, Selbstständige und Betriebe den vollständigen Abbau der kalten Progression und die Erhöhung der steuerlichen Freibeträge sowie die Investitionsanreize für Unternehmen“, konstatierte Fraktionsvize Christoph Meyer. Ob und wie eine Maßnahme der Wirtschaftswende hilft, „das ist für die FDP das maßgebliche Kriterium bei einer Fortsetzung der Gespräche“, unterstrich Meyer. Das ehemalige Ampel-Gesetz enthalte Kompromisse, über die man noch einmal sprechen müsse. Meyer verwies auf die Anzeigepflicht bei nationaler Steuergestaltung, die bereits die Union kritisch hinterfragt habe. Auch die FDP hat dazu „Beratungsbedarf“. Meyer hält es für fraglich, dass sich SPD und Grüne „zugunsten der Wirtschaftswende“ nun bewegen, nachdem ein Beschluss bislang unmöglich war.
Beschluss wäre noch möglich
Möglich wäre es, das Steuerfortentwicklungsgesetz noch in diesem Jahr in Kraft zu setzten. Die Ampel hatte es bereits im Oktober im Bundestag verabschieden wollen, war aber im Disput gescheitert. Das Gesetz würde den Effekt der kalten Progression, der Steuerzahler durch die Inflation in höhere Progressionsstufen drückt, im Einkommensteuertarif bereinigen. Zudem würden Kindergeld, Kinderzuschlag und -freibetrag steigen. Aus der Wachstumsinitiative sind die erhöhten und reformierten Sammelabschreibungen enthalten, die Fortführung der degressiven Abschreibung sowie eine verbesserte Forschungsförderung.
Geregelt werden soll aber auch die Überführung der Steuerklassen III und V in das sogenannte Faktorverfahren für Eheleute. Die Steuerklasse IV für beide ist schon heute frei wählbar und die Union sieht keinen Sinn darin, Steuerpflichtige per Gesetz dort hineinzuzwingen. Die Grüne versprechen sich so eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen.
Für die Union ein rotes Tuch
Die Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltung ist für die Union ein rotes Tuch. Die unionsgeführten Bundesländer stehen auf der Bremse. Denn das würde zu enormem Aufwand ohne spürbaren Effekt führen, Steuervermeidung zu bekämpfen. Zumindest folgern dies Kritiker nach der Einführung der Anzeigepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltung. Die vermehrte Bürokratie würde nicht nur Unternehmen, sondern auch die Verwaltung treffen – ein Aspekt, der dem Gesetz die nötige Zustimmung im Bundesrat versagen könnte.
Ausbremsen könnten die Länder das Vorhaben auch aus finanziellen Gründen. Das Gesetz ist ein Schlag in die öffentlichen Kassen. Steuerausfälle von fast 21 Mrd. Euro Steuerausfälle sind für Bund, Länder und Gemeinden zu erwarten. Für die CDU/CSU, die nach der vorgezogenen Bundestagswahl große Chancen hat, die Regierungen in Berlin anzuführen, ist dies ein wichtiger Punkt. Sie dürfte vor der Wahl eher das Geld zusammenhalten.
Verspätung schafft Bürokratie
Für Änderungen im Steuertarif ist nur der Jahreswechsel der richtige Zeitpunkt. Unterjährige Änderungen führen zu hohem Aufwand in den Finanzämtern, aber auch bei allen Arbeitgebern. Tatsächlich ist der Zug für einen guten Start in das neue Fiskaljahr schon abgefahren. Der Bundestag könnte das Gesetz nur noch in der Sitzungswoche vor Weihnachte beschließen, die einzig verbleibende in diesem Jahr. Der Bundesrat müsste am 20. Dezember zustimmen. Dies ist zu spät, um einen Steuertarif zu programmieren, den Behörden und Unternehmen pünktlich zum Jahresbeginn einspielen. Middelberg ist gleichwohl zuversichtlich für die Entlastung: „Maßnahmen, wie z. B. den Abbau der kalten Progression, kann man im Übrigen völlig unproblematisch auch rückwirkend umsetzen.“