OECD: Steuererhöhungen wieder auf der Tagesordnung
Steuererhöhungen wieder auf der Tagesordnung
OECD diagnostiziert eine globale Trendwende in der Steuerpolitik – Erleichterungen für Einkommensschwache – Anreize für Forschung & Entwicklung
Von Stephan Lorz, Frankfurt
lz Frankfurt
Der jahrelange Steuersenkungstrend scheint gestoppt. Hohe Ausgaben der Staaten für den Strukturwandel und die Lage einkommensschwacher Haushalte sorgen für ein Umdenken. Die Steuerpolitik sortiert sich neu, registriert die OECD in ihrem Bericht zur globalen Steuerstruktur. Investitionen in Umwelttechnologien und in Forschung werden aber mehr denn je auch steuerlich gefördert, um die nationalen Wirtschaftsstandorte wettbewerbsfähig zu halten.
Der Trend zu Senkungen der Körperschaftsteuersätze für Unternehmen ist offenbar zum Stillstand gekommen. Die OECD registriert zum ersten Mal, seit sie im Jahr 2015 die Steuerpolitik global untersucht hat, dass „2023 weitaus mehr Länder Steuersatzerhöhungen als Steuersatzsenkungen umgesetzt“ haben. Das, so die Ökonomen der Industrieländerorganisation, spiegele den Bedarf an zusätzlichen Einnahmen wider, nicht zuletzt auch, um für mehr Gerechtigkeit innerhalb des Steuersystems zu sorgen. Vor allem einkommensschwache Haushalte sollten damit entlastet werden.
Fortschritte bei globaler Mindeststeuer
Die OECD sieht das auch als Reflex auf die allgemeinen Steuersenkungen im Zuge der Covid- und der Energiekrise in den vergangenen Jahren, als Unternehmen und Steuerzahlern massive Vergünstigungen gewährt worden seien, um die Kostensteigerungen schultern zu können. Manche Steuersätze seien wieder erhöht, bestehende Steuererleichterungen abgeschafft und die Steuerbemessungsgrundlagen wieder verbreitert worden.
Erhebliche Fortschritte sind der OECD zufolge auch bei der Umsetzung der globalen Mindeststeuer (GMT) erzielt worden, um eine weltweite Untergrenze für die effektiven Steuersätze großer multinationaler Unternehmen festzulegen. Bis April 2024 hätten 60 Staaten öffentlich angekündigt, dass sie Schritte zur Einführung oder zur Umsetzung unternehmen würden, in 36 Staaten stehe einer Inkraftsetzung im Jahr 2025 nichts mehr im Wege.
Der Druck zu Einnahmeverbesserungen kommt auch zustande, weil die Verschuldung vieler Länder inzwischen Regionen erreicht hat, die Ratingagenturen und Investoren an der langfristigen Tragfähigkeit zweifeln lassen. Die OECD verweist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr höherer Zinsen und steigender Kosten für den Fiskus. Im vergangenen Jahr ist die Schuldenquote der OECD-Länder im Schnitt um 9 Prozentpunkte auf 113% des BIP angestiegen.
Mehr F&E-Steueranreize
Neue Akzente setzen zahlreiche Länder, so hat die OECD beobachtet, auch bei Steueranreizen, um saubere Investitionen zu fördern oder den Übergang zu einer weniger kohlenstoffintensiven Produktion zu fördern. Allerdings greife man aktuell weniger auf die Steuersätze direkt zurück, sondern die steuerliche Bemessungsgrundlage werde verengt. Manche Staaten verzichteten etwa auf die Umsatzsteuer oder senkten sie auf einen ermäßigten Satz, um die Kaufanreize zu erhöhen.
Größere Änderungen gab es ausweislich der OECD-Daten bei den Steueranreizen für Forschung und Entwicklung (F&E), die auch im vergangenen Jahr nochmal verstärkt worden sind. Die Zahl der OECD-Staaten, die einkommensabhängige Steuererleichterungen für F&E-Ausgaben anbieten, habe von 20 im Jahr 2000 auf 33 von 38 OECD-Ländern zugenommen. Die durchschnittliche implizite marginale F&E-Steuersubvention sei seither „deutlich gestiegen“, was laut OECD auf die Einführung neuer F&E-Steueranreize und die „zunehmende Großzügigkeit“ bestehender Erleichterungen im Laufe der Zeit zurückzuführen sei.
Steigende Soziallasten
Weltweit scheinen indes – auch angesichts der hohen Staatsverschuldung – viele Staaten auf die demografische Entwicklung zu reagieren. Das hat, so zeigt der Bericht, vielfach zur Folge, dass die Sozialabgaben nach oben angepasst werden mussten. Um die Lasten gerade von einkommensschwachen Haushalte zu erleichtern, seien diese wiederum steuerlich besser gestellt worden. Insgesamt habe es einen Trend zur Verbreitung der Bemessungsgrenze bei den Sozialbeiträgen gegeben, sodass auch höhere Einkommen stärker zur Finanzierung herangezogen werden.