KommentarParlamentswahl Frankreich

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Die Freude, dass Frankreich einer rechtsextremen Regierung entkommen ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie fragil die Situation nach der Auflösung der Assemblée Nationale nach wie vor ist.

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oder Totgesagte leben länger

wü, Paris
Von Gesche Wüpper

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist bei den von ihm vorgezogenen Parlamentswahlen mit einem dicken blauen Auge davongekommen. Entgegen allen Prognosen hat der rechtsextreme Rassemblement National (RN) in der zweiten Runde weder die relative, noch die absolute Mehrheit erzielt, obwohl er im ersten Wahlgang deutlich vorn gelegen hatte. Und entgegen allen Unkenrufen hat die republikanische Front, das Bündnis gegen den RN, auch diesmal gehalten – trotz Anlaufschwierigkeiten und der Risse durch das Ausscheren der Republikaner.

Doch die Freude darüber, dass die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft einer rechtsextremen Regierung noch einmal knapp entgangen ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie fragil ihre Situation nach der überraschenden Auflösung der Assemblée Nationale nun geworden ist. Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) und die zentristische Regierungsallianz Ensemble liegen zwar vor dem RN, doch verfügt keiner der drei Blöcke über eine absolute Mehrheit. Selbst dem NFP fehlen dafür 107 Sitze. Gleichzeitig ist der Abstand zwischen den Blöcken äußerst gering. Und der RN ist laut den offiziellen Endergebnissen jene Einzelpartei, die mit Abstand über die meisten Abgeordneten verfügen wird, Bündnispartner nicht mitgerechnet.

Für Macron beginnt nun ein neues Kapitel seiner Präsidentschaft. Allerdings dürfte es eher einem vorgezogenen Epilog gleichen als einem Neubeginn. Die bisherige Regierungspartei ist zwar nicht in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht, hat aber deutlich an Sitzen verloren. Zugleich ist das Land durch Macrons Entscheidung, Neuwahlen vorzuziehen, geschwächt, verunsichert und gelähmt. Wichtige wirtschaftliche Entscheidungen sind aufgeschoben worden.

Entweder gelingt es Macrons Lager jetzt, mit einem gemäßigten Teil der Linken und der Republikaner zu regieren, ohne die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI) zu beteiligen, um zu verhindern, dass das teure Programm der linken Volksfront umgesetzt wird und so die ohnehin hohe Staatsverschuldung des Landes weiter in die Höhe getrieben wird. Oder es droht eine politische Blockade, aus der nur eine Expertenregierung ohne unmittelbare Parteibindung heraushelfen könnte. Allerdings wäre auch damit ein wirtschaftspolitischer Stillstand programmiert.

Macron wollte Klarheit schaffen, doch die Situation hat sich eher noch weiter verdüstert. Die Phase der Unsicherheit, die vor vier Wochen mit der Ankündigung der Neuwahlen begonnen hat, ist für Frankreich noch lange nicht vorbei. Bis eine neue Regierung gefunden ist, dürfte noch einige Zeit vergehen.

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Die Phase der Unsicherheit ist für Frankreich noch lange nicht vorbei.