Drohender Shutdown

Tauziehen um US-Schuldenlimit dauert an

Das US-Repräsentantenhaus hat ein Gesetz beschlossen, das einen Shutdown abwenden und die staatliche Schuldengrenze aussetzen würde. Nach wie vor droht ein Verwaltungsstillstand.

Tauziehen um US-Schuldenlimit dauert an

Von Peter De Thier, Washington

Seit Monaten tobt in den USA der Streit über eine Anhebung oder Suspendierung des staatlichen Schuldenlimits und ein Finanzierungsgesetz, mit dem ein weiterer „Shutdown“ verhindert werden kann. Nun haben Demokraten den ersten Schritt unternommen: Das US-Repräsentantenhaus beschloss mit einer knappen Mehrheit, bis Anfang Dezember die Finanzierung des staatlichen Verwaltungsapparats sicherzustellen und die Schuldengrenze bis Ende 2022 auszusetzen.

Was auf den ersten Blick nach einem Etappensieg aussieht, ist aber kaum mehr als ein politischer Schachzug, der dazu dient, die republikanische Opposition unter Druck zu setzen. Im Senat ist das kombinierte Gesetz nämlich chancenlos, da sämtliche Republikaner dagegen stimmen würden und auch einige Demokraten die Schuldengrenze nicht erhöhen wollen. Damit sind die beiden Großparteien in Wirklichkeit wieder am Nullpunkt angelangt. Auch lauern dieselben Gefahren wie vorher: Ein Verwaltungsstillstand am 1. Oktober und der kaum vorstellbare Gedanke daran, dass wenige Wochen danach der Fiskus außerstande wäre, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Das wiederum würde nach Ansicht von Experten heilloses Chaos an den Finanzmärkten auslösen.

Das Gerangel illustriert die politische Dysfunktionalität im tief gespaltenen Washington. Mitch McConnell, der republikanische Fraktionschef im Senat, erklärte, dass seine Partei mit an Bord wäre und der Finanzierungskomponente des Gesetzes zustimmen würde, um einen Shutdown zu verhindern. Die Staatsverschuldung, die sich der Marke von 29 Bill. Dollar nähert, ist nach Ansicht der Republikaner aber völlig außer Kontrolle geraten. Folglich wollen sie von einer höheren Schuldengrenze oder einer weiteren Suspendierung nichts wissen und werden das Gesetz blockieren.

Noch komplizierter stellt sich die Lage dar, weil auch andere Gesetze auf dem Spiel stehen. So hatte der Senat im August Präsident Joe Bidens Infrastrukturgesetz im Wert von etwa 1 Bill. Dollar verabschiedet. Darüber sollte das Repräsentantenhaus kommende Woche abstimmen. Nun will aber ausgerechnet der linksliberale Flügel der Demokraten dieses Gesetz zu Fall bringen, wenn nicht vorher Bidens 3,5 Bill. Dollar schwerer Haushalt gebilligt wird. Dieser ist wiederum sämtlichen Republikanern und auch mehreren Demokraten zu teuer und müsste deutlich gekürzt werden, um Chancen auf eine Verabschiedung zu haben.

Die potenziellen, wirtschaftlichen und politischen Folgen sind immens. Dass keine Kompromisse in letzter Minute geschlossen werden, ist deswegen schwer vorstellbar, weil sich ein Jahr vor den wichtigen Kongresswahlen weder die Demokraten noch die Republikaner den Gesichtsverlust leisten können, der mit einem Verwaltungsstillstand und erst recht einer Staatspleite verbunden wäre. Dabei könnte das meiste für Biden auf dem Spiel stehen. Investitionen in die Infrastruktur und ein Haushaltsgesetz, das auf soziale und Steuergerechtigkeit, den Kampf gegen den Klimawandel und die Verbesserung des Gesundheitssystems abzielt, sind Eckpfeiler seiner politischen Agenda. Werden diese umgesetzt, dann wäre das ein rauschender Erfolg. Scheitern sie hingegen, dann würde der Präsident einen weiteren, herben Rückschlag erleiden, von dem er sich bis zu den Kongresswahlen wohl kaum würde erholen können.

Wertberichtigt Seite 6

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