Tempo und Ausmaß der Zinserhöhungen umstritten
ms Frankfurt
Bei den EZB-Leitzinsen ist es wohl keine Frage mehr, ob sie steigen, und nicht einmal wann – die EZB-Granden haben die erste Erhöhung für die Juli-Sitzung klar avisiert. Die große Frage ist aber, wie stark die Zinsen dann steigen – und noch mehr, wie es danach weitergeht.
Der EZB-Leitzins, der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz, liegt seit März 2016 bei 0%. Der Einlagenzins, der derzeit der eigentliche Schlüsselsatz ist, liegt seit September 2019 bei −0,5%. Im Kampf gegen die damalige Mini-Inflation hatte der EZB-Rat den Einlagenzins im Juni 2014 erstmals unter null gesenkt – als erste große Zentralbank überhaupt.
Nun aber will die EZB zum ersten Mal seit Juli 2011, also dann fast auf den Tag genau nach elf Jahren, den Zins wieder anheben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane haben für die Sitzungen im Juli und September ungewöhnlich deutlich Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte in Aussicht gestellt. Im Juli könnte das nur für den Einlagenzins gelten, womit es wieder einen symmetrischen Zinskorridor gäbe (Spitzensatz: 0,25%). Allerdings gibt es einige Hardliner („Falken“) im EZB-Rat, die sich ein aggressiveres Vorgehen vorstellen können und mit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte im Juli sowie ergo mit einem sofortigen Ende des Negativzinses liebäugeln.
Noch heftiger gerungen wird indes um die Frage, wie es nach den ersten Zinsschritten weitergehen soll. Eine zentrale Rolle nimmt da der sogenannte neutrale Zins ein, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Die „Falken“ wollen offenbar rasch zumindest in Richtung dieses Niveaus. Der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir sagte jüngst, dass er den neutralen Zins nahe 2% sehe. Als erster Euro-Hüter sagte er zudem, dass das neutrale Niveau womöglich nicht ausreichen könnte, um die Inflation zu dämpfen. Spaniens Notenbankchef Pablo Hernández de Cos sagte dagegen, dass er den neutralen Satz auf rund 1% schätze, und EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta warnte gar davor, zu stark auf den neutralen Satz zu starren.