Tod des Königs trübt Thailands Perspektiven

Wirtschaft leidet unter struktureller Schwäche - Staatliche Stimuli bleiben einziger Wachstumsmotor

Tod des Königs trübt Thailands Perspektiven

Von Ernst Herb, HongkongMit dem Tod des 88-jährigen Königs Bhumibol Adulyadej steigt in Thailand die Verunsicherung. Offene Fragen über die politische Kontinuität der zweitgrößten südostasiatischen Volkswirtschaft haben das Investitionsklima bereits seit Jahren überschattet und an der Börse Bangkok wie gerade auch dieser Tage für erhöhte Volatilität gesorgt.Die Nachfolge Bhumibols, der seit 1946 im Amt war, scheint mit der wahrscheinlichen Thronbesteigung des 64-jährigen Kronprinzen Maha Vajiralongkorn zumindest für den Moment geklärt, wenn auch immer wieder der Name seiner populären Schwester Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn ins Spiel gebracht wird. Allerdings bleibt Thailand eine tief gespaltene Nation. Das hat nicht in erster Linie mit der allgemeinen Unbeliebtheit des skandalumwitterten Kronprinzen zu tun.Hintergrund der sozialen Spannungen ist vor allem eine Serie von Staatsstreichen gegen demokratisch gewählte Parlamente und Regierungen, mit der sich das Militär seit 2006 zur zentralen politischen Institution des 66 Millionen Einwohner zählenden Landes gemacht hat. In den vergangenen zehn Jahren ist Thailand aber auch von einem der weltweit dynamischsten Schwellenländer zu einer nur noch langsam wachsenden Volkswirtschaft abgestiegen.Thailand wächst trotz aller vom Staat eingeleiteten konjunkturstützenden Maßnahmen nur halb so schnell wie etwa die benachbarten Philippinen. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 3,2 %. Bremsfaktoren sind neben der unsicheren politischen Lage eine zunehmend ungünstige demografische Entwicklung, ein im Vergleich schlechtes Ausbildungssystem und vor allem ein hoher Verschulungsgrad der Privathaushalte. Auch trägt der sonst international sehr wettbewerbsfähige Agrarsektor infolge der niedrigen Rohstoffpreise gegenwärtig nur zu einem kleinen Teil zum Wirtschaftswachstum bei. Nachfrageschwäche belastetThailand ist infolge einer seit Jahren anhaltenden niedrigen Geburtenrate mit dem Phänomen einer zunehmend überalterten Gesellschaft konfrontiert, mit dem normalerweise vor allem reiche Industriestaaten zu kämpfen haben. Damit hat das Land angesichts der relativ hohen Löhne im Bereich der Produktion von billigen Massenwaren gegenüber Ländern wie Vietnam, Indonesien oder Myanmar an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das fällt umso mehr ins Gewicht, als Thailands Exportindustrie ebenso wie die seiner Nachbarn unter der schwachen globalen Nachfrage leidet. Gleichzeitig hat Thailand Schwierigkeiten, in der Wertschöpfungskette aufzusteigen. Erstklassige Ingenieure und Verwaltungsfachleute sind Mangelware, auch verfügt ein Großteil der Bevölkerung über keine oder nur mangelnde Fremdsprachenkenntnisse.Das Land steckt somit in der sogenannten “Middle Income Trap”, das heißt, es hat mit seinem Einkommensniveau Mühe, mit anderen Entwicklungsländern zu konkurrieren, und ist technisch nicht weit genug, um zu den Industrieländern aufzuschließen. Aus diesem Grund expandieren wachstumsorientierte thailändische Unternehmen seit Jahren vorwiegend im Ausland. Daher ist aber auch die Börse Bangkok trotz der eingetrübten Konjunktur für Investoren interessant geblieben.Ein starkes Standbein der Wirtschaft bleibt dabei die Fremdenverkehrsindustrie, die rund 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet. Zwar sind in den vergangenen Jahren infolge der innenpolitischen Unruhen gerade die besonders umworbenen gut zahlenden Gäste aus den reichen Industriestaaten teilweise ausgeblieben. Das konnte allerdings zumindest teilweise durch Gruppenreisen aus China wettgemacht werden. Allerdings dürfte der Tourismus in den kommenden Tagen und Wochen erhebliche Umsatzeinbußen erleben, da die Regierung wegen der Trauerfeierlichkeiten für die kommenden 30 Tage “fröhliche Anlässe” verboten hat. Privatkonsum gebremstAll diese konjunkturellen und strukturellen Schwächen konnten in den vergangenen Jahren durch einen boomenden Privatkonsum ausgeglichen werden. Allerdings hat damit der Verschuldungsgrad der Privathaushalte in Thailand mit über 70 % des BIP neben Malaysia den höchsten Stand der Region erreicht. Obwohl sich die Konsumentenstimmung im ersten Halbjahr 2016 etwas verbessert hat, dürfte die hohe Schuldenlast die Kauffreude für die absehbare Zukunft deutlich bremsen.Damit verbleiben die staatlichen Stimulierungsmaßnahmen wie etwa eine lockere Geldpolitik und Steuersenkungen als der einzige kräftige Wachstumsmotor Thailands. Auch will die Regierung in den kommenden Jahren 645 Mrd. Baht (182 Mrd. Dollar) in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur investieren.