Trend geht zu weniger, aber größeren Bauernhöfen
Trend geht zu weniger, aber größeren Bauernhöfen
Sonderkonjunktur sorgt für Wachstum des Sektors – Genossenschaften können kleineren Betriebe helfen
ba Frankfurt
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So präsent wie bei den tagelangen bundesweiten Protesten und der Großkundgebung in Berlin sind die deutschen Landwirte selten. Ebenso wie ihre Probleme und der tiefgreifende Strukturwandel, in dem sich der Agrarsektor befindet. Neben der sich verschärfenden Nachfolgeproblematik erhöhen der gestiegene Wettbewerb, der Preisdruck und die zunehmenden Umweltschutz- und Tierschutz-Anforderungen den Druck zur Bildung größerer Betriebseinheiten, wie es in einer DZ-Bank-Studie heißt.
Die Agrarstrukturerhebung 2023 des Statistischen Bundesamts (Destatis) zeigt, dass der Strukturwandel hin zu größeren Betrieben anhält, sich aber verlangsamt hat. Während die Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche bereits seit 2010 beinahe gleich bleibt, steigt die Betriebsgröße.
Künftig dürften statt dem bäuerlichen Familienbetrieb zunehmend inhabergeführte, aber große, kapitalintensive und betriebswirtschaftlich organisierte Agrarunternehmen die Branche prägen, erwartet die DZ Bank. Es gebe aber auch Chancen für die traditionellen Höfe, vor allem in der Spezialisierung und in der Öko-Landwirtschaft. Auch die Genossenschaftsidee könne kleineren Betrieben helfen, die nötige Größe und Verhandlungsmacht zu erreichen und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
„Öko“ wird beliebter
Studienautor Claus Niegsch erwartet aber, dass von den rund 256.000 Betrieben im Jahr 2022 bis 2040 nur mehr rund 100.000 Höfe bestehen bleiben. Zugleich werde die Durchschnittsgröße eines Betriebs von 64,8 auf 160 Hektar zulegen – in den USA liegt die durchschnittliche Farmgröße bei umgerechnet 180 Hektar. In den Jahren von 2020 bis 2023 ist die Zahl der Höfe bereits um rund 3% auf 255.000 gesunken, wie Destatis mitteilte. Dabei ging die Zahl der tierhaltenden Betriebe um etwa 4% auf rund 161.700 zurück, wohingegen bei den Betrieben mit ökologischem Landbau ein Plus von 10% auf 28.700 verzeichnet wurde. Damit stehen die Ökobetriebe für einen Anteil von rund 11% aller landwirtschaftlichen Betriebe und auch für 11% der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Die Zahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft fiel währenddessen um rund 7% auf insgesamt 876.000 Personen. Rund 45% davon sind Familienarbeitskräfte. Im Schnitt arbeiten in einem landwirtschaftlichen Betrieb 3,4 Arbeitskräfte.
Höfesterben beschleunigt sich Mitte der 2030er Jahre
Da selbständige Landwirte oft deutlich länger als Arbeitnehmer arbeiten, erwartet Niegsch, dass die „Verrentungswelle“ der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre nicht bereits Mitte der 2020er Jahre einsetzt, sondern sich vor allem in den 2030er Jahren abspielen wird: „Dann wird sich der Rückgang der Zahl der Bauernhöfe nochmals spürbar beschleunigen.“ Die Felder der aufgegebenen Höfe wiederum dürften das Flächenwachstum der übrigen Betriebe speisen.
Auch wenn der Agrarsektor mit einem Anteil von 1,0% an der gesamten Wertschöpfung im Jahr 2022 nur eine vergleichsweise geringe wirtschaftliche Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft hat, „ist die Landwirtschaft notwendig, um die heimische Versorgung mit Nahrungsmitteln auch in Krisenzeiten sicherzustellen“, mahnt DZ-Bank-Experte Niegsch. Zum Vergleich: 1970 betrug der Anteil noch 3,3%. Allerdings erwiesen sich die Wertschöpfungsanteile der Sektoren in den vergangenen zehn Jahren als stabil, sodass sich der Bedeutungsverlust der Landwirtschaft nicht weiter fortgesetzt hat – und im Gegenteil 2022 sogar wieder leicht zugelegt hat.
Das Wachstum, so betont Niegsch, sei aber vor allem auf Preissteigerungen zurückzuführen. Denn die seit 2022 zu beobachtende Verteuerung der Lebensmittel sei auch auf einen deutlichen Anstieg der Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte zurückzuführen. Allerdings entwickelten sich auf lange Sicht die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise „wesentlich weniger dynamisch“ als die Lebensmittelpreise, schränkt Niegsch ein. Zudem seien die Preiserhöhungen der Landwirte „überwiegend eine Reaktion auf ihre gestiegenen Betriebsmittelkosten“ gewesen. Wegen der Bevölkerungsentwicklung könne die Branche „nur unter der Voraussetzung einer positiven Preisentwicklung und/oder einer zunehmenden Auslandsnachfrage nennenswert wachsen“.
Von Januar bis November wurden 44,0 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 57,9 Mrd. Euro nach Deutschland importiert und 27,4 Millionen Tonnen im Wert von 35,9 Mrd. Euro aus exportiert, teilte Destatis ebenfalls am Dienstag mit. Dabei stiegen die Ausfuhren mengenmäßig um 1,1%, während sie wertmäßig um 0,2% abnahmen. Mehr als zwei Drittel der deutschen Exporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind den Statistikern zufolge pflanzlichen Ursprungs, allen voran Getreide, Gemüse und Müllereierzeugnisse.