Trübe Aussichten für Euro-Industrie
ba Frankfurt
Die Industrie im Euroraum kommt derzeit kaum voran: Die schwächelnde Nachfrage, die hohen Preise für Energie und Rohstoffe, die Sorgen vor einem Gaslieferstopp Russlands sowie der Lieferkettenstress lasten auf der Produktion. Ökonomen erwarten daher auch nur ein schmales Plus für Mai. Dafür sprechen auch die bislang veröffentlichten Daten der größeren Euro-Volkswirtschaften. Am Mittwoch will das Statistikamt Eurostat über die Entwicklung berichten.
Während das verarbeitende Gewerbe der größten Euro-Volkswirtschaft, Deutschland, im Mai die Gesamtfertigung um 0,2% zum Vormonat ausgeweitet hat, stagnierte die Produktion der französischen Industrie. In Spanien und Italien wurde der Output im Mai gedrosselt – um 0,2% bzw. 1,1%, wie die jeweiligen nationalen Statistikämter bekanntgaben. Schwach im Monatsvergleich zeigte sich dabei zumeist die Energieerzeugung.
Insgesamt dürfte die Euro-Industrie also keine großen Sprünge gemacht haben. Im Schnitt beträgt die Prognose +0,6% zum Vormonat. Für April hatte Eurostat ein Produktionsplus von 0,4% im Monatsvergleich und einen Rückgang von 2,0% zum April 2021 ausgewiesen. Dass die Aussichten für die Industrie trübe sind, zeigen auch die in die Zukunft gerichteten Komponenten des Einkaufsmanagerindex: So sind im Juni die Subkomponenten zum Auftragseingang und dem Auslandsgeschäft zurückgegangen, die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist sackten auf ein 25-Monats-Tief ab. Und auch der Auftragsbestand, der im Verlauf der Pandemie kräftig zugenommen hatte, sank laut S&P Global (vormals IHS Markit) wegen des Mangels an Neuaufträgen erstmals seit knapp zwei Jahren wieder.
Als größtes Problem der Industrie gilt der anhaltende Materialmangel – der Lieferkettenstress ist nicht nur Folge der rigiden chinesischen Coronapolitik, sondern auch des Ukraine-Kriegs. Die vom Kiel Trade Indicator gemessenen ungewöhnlich langen Containerschiffstaus in der Nordsee und der geringe Verkehr im Roten Meer – also auf der Hauptroute für den Warenverkehr mit Asien – lassen keine baldige Besserung erwarten. Unter den deutschen Industrieunternehmen klagen laut Ifo-Institut noch immer 74,1% über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Die meisten rechnen damit, dass sich die Misere noch mindestens zehn Monate hinzieht.
Für die deutsche Industrie gibt es aber auch einen kleinen Lichtblick: Im Juni waren auf den Autobahnen wieder mehr Brummis unterwegs als im Mai. Die Fahrleistung mautpflichtiger Lkw mit mindestens vier Achsen stieg um 0,9%, wie Destatis und das Bundesamt für Güterverkehr am Freitag mitteilten. Der sogenannte Lkw-Maut-Fahrleistungsindex eignet sich bundesweit sowie in einigen Bundesländern als Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Er liefert laut Destatis „eine grobe Annäherung an die Entwicklung der Industrieproduktion“. Bei den grenzüberschreitenden Fahrten gab es den höchsten monatlichen Zuwachs an der Grenze zu Tschechien und den größten Rückgang im Verkehr von und nach Polen.