Trump hat kaum Chancen vor Gericht
Von Anna Steiner, FrankfurtWer die Äußerungen von Amtsinhaber Donald Trump vor den Präsidentenwahlen in den USA verfolgt hat, dürfte wenig überrascht gewesen sein, als dieser schon in der Wahlnacht ankündigte, den Obersten Gerichtshof anrufen zu wollen. Am Donnerstag folgte ein Tweet des Präsidenten: In allen von seinem demokratischen Herausforderer Biden zuletzt gewonnenen Bundesstaaten werde er Rechtsmittel einlegen. Der Vorwurf: Die Demokraten würden die Wahl durch die per Brief abgegebenen Stimmen manipulieren. Die Aussicht auf Erfolg ist nach Einschätzung von Experten auf Basis der Datenlage jedoch eher gering. Vier Staaten im FokusNeben Nevada stehen drei Bundesstaaten im Fokus: Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. In Pennsylvania, wo Trumps Vorsprung zuletzt immer weiter schrumpfte, wurde die Auszählung gestoppt. Die Ergebnisse aus Nevada werden erst am Freitag erwartet. In Michigan und Wisconsin liegt Biden vorn. Trumps Team wird nicht müde zu behaupten, die Demokraten “zauberten” Wahlzettel hervor. In Michigan sei eine große Zahl Wahlzettel heimlich abgeladen worden, twitterte der Präsident. Und auch sein Sohn sagte vor der Presse, man habe Stimmzettel in einem Graben gefunden. Bislang fehlen für derlei Behauptungen jedoch Beweise.In Michigan wird es Trump zudem nicht möglich sein, ohne Nachweise für einen Wahlbetrug eine Annullierung oder Nachzählung der Stimmen zu beantragen. Denn der Stimmenvorsprung von Biden beträgt hier mehr als 1 %. Laut Gesetz ist eine Nachzählung jedoch nur bei einem Stimmenabstand von 1 % oder weniger möglich. “Auch die Gerichtsverfahren, die er in diesem Zusammenhang angestrengt hat, scheinen mir wenig erfolgversprechend”, sagt Nils Petersen, Professor für Verfassungstheorie und Experte für die Einflussfaktoren richterlicher Entscheidungen an der Universität Münster.Anders sieht es in Wisconsin aus. Hier beträgt der Abstand zwischen den beiden Kandidaten nur 0,6 Prozentpunkte. “Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass eine Neuauszählung etwas am Ergebnis ändert”, schätzt Petersen. Zudem ist fraglich, ob das Trump-Team dieses Risiko – und die damit verbundenen Kosten, die der Antragsteller ab einem Abstand von mehr als 0,25 Prozentpunkten selbst stemmen muss – tragen will. 2016 hatte die Kandidatin Jill Stein in Wisconsin eine Nachzählung verlangt, als Trump den Staat gewann. Am Ende betrug der Unterschied nur 131 Stimmen, die am Wahlergebnis nichts änderten.In Pennsylvania, wo Trump lange Zeit deutlich führte, wurde das Rennen im Verlauf der zweiten Nacht nach der Wahl immer knapper. Das hängt mit dem hohen Anteil demokratischer Wähler ab, die per Briefwahl abstimmten. Es sind vor allem Stimmen für Biden, die noch in den Umschlägen stecken. Das erklärt, warum Trumps Führung dort seit Stunden schrumpft.Der Supreme Court von Pennsylvania hatte vor den Wahlen die Frist, bis zu der Briefwahlstimmen eintreffen können, bis Freitag verlängert. Das wurde vom Obersten Gericht in Washington mit einer 4:4-Entscheidung im Eilverfahren akzeptiert. Die Hauptsacheentscheidung steht aber noch aus. Das Gericht könnte den Fall erneut aufgreifen. “Da die von Trump nominierte Richterin Amy Coney Barrett mittlerweile ernannt ist, könnte sie hier die entscheidende Stimme abgeben, um die Verlängerung der Frist doch zu annullieren”, vermutet Jurist Petersen. Allerdings sei nicht klar, wie viele Stimmen überhaupt nach dem Wahltag noch eintreffen werden und ob diese das Ergebnis in Pennsylvania verändern. Wie viele Klagen in den einzelnen Wahlbezirken des Bundesstaates schon eingegangen sind, ist noch nicht bekannt. Blick nur aus der FerneDer Versuch des Trump-Teams, sich die vermeintliche Behinderung von Wahlbeobachtern juristisch zunutze zu machen, ist wenig erfolgversprechend. “Wir durften keinen einzigen Briefwahlschein anschauen”, monierte Rudy Giuliani, Anwalt des Präsidenten, mit Blick auf Pennsylvania. Auch in Michigan und Wisconsin sei es den Beobachtern nur möglich gewesen, die Wahl aus einem Abstand von mehreren Metern zu beobachten. Das sei auch durch Coronamaßnahmen nicht zu rechtfertigen, so Giuliani. Es ist aber fraglich, ob die Gerichte eine solche Klage zulassen. Die Wahlgesetze in den Bundesstaaten legen zwar fest, dass Wahlbeobachter “im Raum” sein dürfen. Ihnen wird aber nicht explizit ein Recht zur Begutachtung der Wahlzettel eingeräumt.Auch die Vorwürfe, die Umfragen, die Trump deutlich vorn sahen, seien eine “Taktik zur Wählerunterdrückung” von Seiten der Demokraten gewesen, werden vor Gericht kaum Bestand haben. Das amtliche Endergebnis wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Die OSZE zieht ihre Wahlbeobachter daher noch nicht ab. Sorge dürften vielen aber die Unruhen bereiten. So demonstrierten in Arizona in der zweiten Nacht einige bewaffnete Trump-Anhänger gegen die Auszählung.