NACH DER EINIGUNG

Tsipras-Koalition wackelt vor Reform-Abstimmung

Anel will nicht allen Reformen zustimmen

Tsipras-Koalition wackelt vor Reform-Abstimmung

Reuters Athen – Nach dem Reformkompromiss mit der Eurozone steht die Links-rechts-Koalition des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras vor der Zerreißprobe. Der rechtspopulistische Junior-Partner “Unabhängige Griechen” (Anel) signalisierte, nicht alle Vereinbarungen mitzutragen. In Tsipras’ Syriza-Partei bleibt der linksradikale Flügel auf Konfrontationskurs. Ein erstes Reformbündel steht am heutigen Mittwoch im Parlament zur Abstimmung.Der mit der Eurozone gefundene Kompromiss sieht als vertrauensbildende Maßnahme vor, dass das Athener Parlament eine Reform der Mehrwertsteuer- und des Rentensystems beschließt. Auch müssen das Statistikamt Elstat rechtlich unabhängig und ein Fiskalrat zur Überwachung der EU-Budgetregeln eingerichtet werden. Schließlich muss der Gesamtkompromiss anerkannt werden. Erst danach können Verhandlungen über ein drittes Hellas-Hilfspaket von bis zu 86 Mrd. Euro beginnen. Nächste Woche stehen Abstimmungen zur Modernisierung des Zivilrechts und zur EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung an.Nach sechs Jahren Rezession war Tsipras’ Koalition Ende Januar mit dem Versprechen angetreten, der Bevölkerung keine neuen Lasten mehr zuzumuten. Genau das muss Tsipras nun tun, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Bereits bei der Abstimmung über sein Verhandlungsmandat vor dem Euro-Gipfel am Wochenende hatte er nur mit Hilfe der Opposition eine Mehrheit im griechischen Parlament hinter sich scharen können. Zwar sagte Anel-Chef Panos Kamenos, seine Partei werde Tsipras weiter unterstützen. Man werde aber nur Reformen zustimmen, auf die man sich mit den Vorsitzenden aller großen griechischen Parteien vor dem Euro-Gipfel geeinigt habe. Neuwahlen möglichIm Parlament kommen Syriza (149 Sitze) und Anel (13 Sitze) auf 162 der 300 Mandate. Sollte Tsipras eine eigene Mehrheit verfehlen, wäre er auf die Konservativen (76 Sitze) oder Sozialdemokraten (13 Sitze) angewiesen, die den Reformkurs mittragen. In griechischen Zeitungen wurde über eine Übergangsregierung unter einem Technokraten als Regierungschef bis zu Neuwahlen im Herbst spekuliert. Innenminister Nikos Voutsis (Syriza) rechnete mit einer Zustimmung des Parlaments zu den Reformauflagen. Trotz Abweichlern in den eigenen Reihen könne Tsipras mit einer Billigung durch die Abgeordneten rechnen. Die sozialen Härten könnten durch weitere politische Maßnahmen abgefedert werden.Nach seiner Kehrtwende in Brüssel muss sich Tsipras auch in der Bevölkerung auf wachsende Kritik einstellen – 61 % der Griechen hatten erst vor einer guten Woche gegen den bisherigen Reformkurs der Gläubiger gestimmt. Die Angestellten im öffentlichen Dienst kündigten für Mittwoch einen Streik an. Arbeitsminister Panos Skourletis vom linken Syriza-Flügel hatte die in Brüssel vereinbarten Auflagen als unannehmbar und Neuwahlen als unvermeidbar bezeichnet.