Unerwartet gute Wirtschaftsstimmung
ba/ms Frankfurt
Die Wirtschaft im Euroraum ist gemessen an den gestern veröffentlichten Indikatoren der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) gut in das zweite Coronajahr gestartet. Trotz der in einigen Ländern andauernden Lockdowns und erneut steigender Coronainfektionszahlen hat sich die Wirtschaftsstimmung im Februar überraschend deutlich aufgehellt. So ist der von der EU-Kommission erhobene Sentiment Indicator (ESI) um 1,9 auf 93,4 Punkte geklettert während Ökonomen nach dem Rückgang vom Jahresanfang einen Anstieg auf lediglich 92,1 Zähler erwartet hatten. Damit liegt der breit angelegte Indikator, der die Stimmung der Unternehmen und privaten Haushalte misst, zwar weiter unter dem Vorkrisenniveau von Februar 2020 mit 104 Punkten, aber den dritten Monat in Folge im sogenannten Normalbereich, der bei 90 Punkten beginnt.
Die Stimmungsaufhellung zeigte sich dabei in fast allen Bereichen – lediglich das Vertrauen der besonders von den Restriktionen im Kampf gegen die Corona-Pandemie betroffenen Einzelhändler hat sich von ohnehin niedrigem Niveau aus weiter verschlechtert (−0,6 Punkte). Eine leichte Verbesserung (+0,2 Zähler) verzeichnet die EU-Kommission für die Bauwirtschaft, deren entsprechendes Barometer damit seit Juni 2020 kontinuierlich über dem langjährigen Durchschnitt liegt. Den stärksten Anstieg verzeichnete das Industrievertrauen mit +2,8 Punkten. Dies steht im Einklang mit dem Zuwachs des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe. „Die Industrie hat die Coronasorgen damit abgeschüttelt“, kommentierte denn auch Christian Melzer von der DekaBank.
Unter den größten Euro-Ländern verlief die Entwicklung uneinheitlich: Getrieben von der robusten Industriekonjunktur kletterte der ESI für Deutschland um 3,0 Punkte und der für Frankreich um 0,9 Zähler. In Italien (+4,4 Punkte) und Spanien (−3,2 Punkte) trugen jeweils sämtliche Bereiche gleichermaßen zur Entwicklung bei. In den Niederlanden, wo am 14. März gewählt wird, sank der ESI um 1,3 Punkte.
Alles in allem eher positive Konjunktursignale kamen am Donnerstag auch von der Kreditfront. Die Kreditvergabe legte im Januar erneut kräftig zu, wie die EZB mitteilte. An Unternehmen vergaben die Institute beispielsweise 7,0% mehr Kredite als im Vorjahr – nur minimal weniger als die 7,1% im Dezember. Im Monatsvergleich nimmt die Kreditdynamik aber seit einiger Zeit ab, was auch Beobachter kritisch anmerkten. Dagegen beschleunigte sich das ohnehin rasante Wachstum der Geldmengen weiter. Das enger gefasste Geldmenge M1 legte im Januar um 16,4% zu, nach 15,6% im Dezember. M1 gilt grundsätzlich als guter Frühindikator für die Konjunktur.
Kapitalmarktzinsen im Blick
Unterdessen forcierten führende EZB-Vertreter am Donnerstag ihren Kampf gegen den jüngsten Anstieg der Euro-Renditen – der zu höheren Kreditkosten für die Wirtschaft führen könnte. „Die EZB schaut sich genau die Entwicklung der langfristigen nominalen Anleihe-Renditen an“, sagte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bei einem Webinar. Noch deutlicher wurde seine Direktoriumskollegin Isabel Schnabel im Interview mit der lettischen Agentur Leta: „Ein zu abrupter Anstieg der Realzinsen auf dem Rücken sich verbessernder weltweiter Wachstumsaussichten könnte die Konjunkturerholung gefährden“, sagte Schnabel. Unlängst hatte bereits EZB-Präsidentin Christine Lagarde verbal interveniert (vgl. BZ vom 23. Februar und siehe Berichte Seite 7).