US-Arbeitsmarkt spielt der Fed in die Hände
Der US-Jobmotor läuft weiter rund und macht eine deutliche Zinserhöhung im September wahrscheinlicher. Im August kamen 315.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie die Regierung am Freitag in Washington mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit 300.000 gerechnet, nach revidiert 526.000 im Juli. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote stieg allerdings auf 3,7 von zuvor 3,5%.
Die US-Konjunkturdaten wurden von den Anlegern positiv aufgenommen und Europas Aktienmärkten Rückenwind. Die Weltleitwährung Dollar geriet dagegen unter Druck. Der Anstieg der Zahl der neuen Jobs sei zwar etwa höher ausgefallen als erwartet, aber gleichzeitig sei die Arbeitslosenquote gestiegen. Das, so interpretiert Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade, die neuen Daten, sei das ideale Szenario für Anleger, die nun wüssten, dass die Notenbank Fed die Zinsen wohl kaum längerfristig aggressiv anheben werde.
Die Commerzbank-Experten Christoph Balz und Bernd Weidensteiner verweisen indes darauf, dass das Tempo am Arbeitsmarkt zwar etwas nachgelassen habe. Ein Stellenzuwachs von über 300.000 sei für diese Phase des Konjunkturzyklus jedoch weiterhin kräftig. Einer Faustregel folgend sei bereits ein Stellenzuwachs von rund 75.000 pro Monat ausreichend, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen. „Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Notenbank diese leichte Beruhigung am Arbeitsmarkt zum Anlass nimmt, die Leitzinsen im September nur um 50 Basispunkte zu erhöhen. Wir halten daher an unserer Prognose einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte fest.“
Erwerbsquote angestiegen
Es kommt hinzu, dass die höhere Arbeitslosigkeit vor allem auf eine höhere Erwerbsquote zurückzuführen ist, wie Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) darlegt. Letztlich haben sich also wieder mehr Arbeitslose am Arbeitsmarkt gemeldet und auf die Suche nach einem Job begeben. Die Beschäftigungssituation sei gut, ebenso die Aussicht auf einen guten Verdienst, erklärte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Da zugleich die staatlichen Corona-Hilfen aufgezehrt sein, werde die Aufnahme einer Beschäftigung wieder attraktiver.
Dass der US-Arbeitsmarkt sehr aufnahmefähig ist, zeigt auch der Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne zum Vormonat um 0,3%, nachdem sie im Monat zuvor um 0,5% zugelegt hatten. Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Stundenlöhne um 5,2 Prozent zu. Viele US-Firmen klagen aber seit längerer Zeit über einen erheblichen Mangel an Arbeitskräften, und sind daher bereit, den Stellenbewerbern auch mehr zu zahlen. Gleichwohl bleibt der Anstieg klar hinter der hohen Inflationsrate zurück.
Lohndruck unverändert groß
Die Federal Reserve hat den Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation zuletzt zwei Mal in Folge ungewöhnlich kräftig um 75 Basispunkte angehoben – auf die Spanne von 2,25 bis 2,50%. Sie will bald nachlegen. „Für die US-Notenbank steht das Signal auf Grün, am 21.September mit einer kräftigen Leitzinserhöhung fortzufahren“, meint auch Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die Zahl offener Stellen sei äußerst hoch, die Arbeitslosenquote weiterhin sehr niedrig und der Lohndruck unverändert groß. Dies ist auch an den durchschnittlichen Stundenlöhnen abzulesen: Sie stiegen im August wie bereits im Juli zum Vorjahresmonat um 5,2%.
Hohe Inflation
Die Fed will die hohe Inflation von zuletzt 8,5% bekämpfen, indem sie den Preis des Geldes stetig verteuert. Sie nimmt dabei in Kauf, dass die Wirtschaft darunter leidet. US-Notenbankchef Jerome Powell machte dies zuletzt auf dem Geldpolitik-Forum in Jackson Hole deutlich und sprach davon, dass der straffe Kurs voraussichtlich mit „einigen Schmerzen“ für Haushalte und Firmen verbunden sei.
Am Arbeitsmarkt ist davon jedoch noch kaum etwas zu spüren, auch wenn die Arbeitslosenquote trotz des robusten Stellenaufbaus nun anstieg. Dies wirkt auf den ersten Blick paradox. Doch die Zahlen basieren auf zwei verschiedenen Datensätzen: eine Haushaltsumfrage, aus der die Arbeitslosenquote berechnet wird und einer Arbeitgeberumfrage, aus der die Jobzahlen gewonnen werden.
Laut Analyse der Commerzbank-Ökonomen hat das Arbeitsangebot im August deutlich zugenommen. Es interessierten sich demnach deutlich mehr Arbeitnehmer als im Juli für einen Job, was sich auch in der Berechnung der Arbeitslosenquote niederschlage.