DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE

Verbale Attacken auf die unabhängige Geldpolitik

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 31.12.2015 Frisch ins Amt eingeführte Bundesfinanzminister erhielten als eine der ersten Verhaltensmaßregeln traditionell mit auf den Weg: keine Äußerung zu Zinsen. Diese Haltung bekundet Respekt gegenüber...

Verbale Attacken auf die unabhängige Geldpolitik

Von Angela Wefers, BerlinFrisch ins Amt eingeführte Bundesfinanzminister erhielten als eine der ersten Verhaltensmaßregeln traditionell mit auf den Weg: keine Äußerung zu Zinsen. Diese Haltung bekundet Respekt gegenüber der institutionellen Trennung von Geld- und Fiskalpolitik und der Unabhängigkeit der Notenbank. Die stereotype Antwort etwa auf Fragen von Journalisten nach dem Zinsniveau lautete: “Die Notenbank ist unabhängig.” Noch unerfahrene Minister, die sich nicht daran hielten, lösten – oft zur eigenen Überraschung – so manche Marktturbulenz aus.Das war einmal. Äußerungen von Politikern zur Geldpolitik, sind heute kein Tabu mehr. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderen Notenbanken ausgelöste Geldschwemme hat auch die Zungen gelockert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) etwa macht keinen Hehl aus seiner Position. Er adressiert die Zentralbanken zwar meist verklausuliert, in der Sache aber direkt. So hat er in der jüngeren Zeit wiederholt vor der Gefahr einer “Blasenbildung” an den Märkten wegen der hohen Liquidität gewarnt und auf Probleme durch die niedrigen Zinsen für Sparer verwiesen. Dies tat er etwa vor einem G 20-Treffen der Industrie- und Schwellenländer oder auch in der Haushaltsdebatte im Bundestag. Unterstützung fand er dabei in den eigenen Reihen, so durch den Fraktionsvize der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus. Dessen Counterpart bei der SPD, Carsten Schneider, attackierte Schäuble indessen für seine Kritik, hielt sich aber seinerseits mit einer Bewertung des Agierens der Notenbanken auch nicht zurück: “Ohne die expansive Geldpolitik der Notenbanken … weltweit hätten wir die Finanz- und Wirtschaftskrise niemals bewältigt.”In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage führt die Bundesregierung die niedrigen Kapitalmarktzinsen indessen vor allem auf die schwache Wirtschaftsdynamik in Europa und auf mangelnde Strukturreformen zurück, weniger auf die Geldpolitik. Gegen Reformmüdigkeit kann aber die lockerste Geldpolitik der Welt nicht helfen. Dies macht auch EZB-Präsident Mario Draghi immer wieder deutlich. Handlungsbedarf hat hier allein die Politik. ——–Entgegen früherer Zurückhaltung kritisieren Politiker heute die Geldpolitik.——-