Euro-Konjunktur

Verbraucher befürchten dauerhaft hohe Inflation

Eine neue EZB-Umfrage verstärkt Bedenken, dass die Inflation in der Eurozone außer Kontrolle geraten könnte. Die Verbraucher sind demnach skeptischer als die EZB-Volkswirte.

Verbraucher befürchten dauerhaft hohe Inflation

ms Frankfurt

Die Menschen im Euroraum befürchten laut einer neuen Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) eine anhaltend hohe Inflation. In zwölf Monaten sehen sie die Teuerung im Schnitt bei 5,0% und in drei Jahren bei 2,8% – also deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Zielwerts von 2,0%. Das ist ein zentrales Ergebnis des am Donnerstag veröffentlichten Consumer Ex­pectations Survey (CES) der EZB. Zugleich erwarten die Menschen kurzfristig ein Schrumpfen der Euro-Wirtschaft und einen spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Die Umfrage dürfte die Debatte über eine Entankerung der Inflationserwartungen und eine in der Folge drohende Lohn-Preis-Spirale be­feuern. Die Inflation im Euroraum übertrifft seit eineinhalb Jahren alle Erwartungen und hat im Juli mit 8,9% erneut ein Rekordhoch er­reicht. Die große Sorge ist nun, dass sich die Teuerung verfestigt – nicht zuletzt, falls die Löhne kräftig anziehen. Die EZB hat im Juli nach langem Zögern erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen erhöht und weitere Anhebungen avisiert. Die große Frage ist aber, wie weit die Zinswende gehen kann – da zugleich die Euro-Wirtschaft stark an Schwung verliert.

Besonders interessant ist die Umfrage, die die EZB nun erstmals veröffentlichte und künftig monatlich publizieren will, weil sie eine wichtige Lücke schließt. Bislang gibt es zwar viele Umfragen unter Unternehmen und Volkswirten über die Entwicklung von Inflation und Wachstum, und aus Finanzmarktprodukten lassen sich Einschätzungen der Marktteilnehmer ziehen. Umfragen unter Verbrauchern sind aber Mangelware, obwohl ihnen für den Wirtschaftskreislauf entscheidende Bedeutung zukommt. Am CES im Juli nahmen rund 14000 Verbraucher im Alter von mindestens 18 Jahren aus Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und den Niederlanden teil.

Mit den aktuellen Inflationserwartungen von 5,0% auf Sicht von einem Jahr und vor allem von 2,8% auf Sicht von drei Jahren im Median liegen die Einschätzungen oberhalb dessen, was die Volkswirte der EZB bislang prognostizieren. Sie rechnen laut ihren jüngsten Projektionen vom Juni für 2023 mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 3,5% und für 2024 von 2,1%. Die Prognosen der EZB-Volkswirte stehen aktuell stark in der Kritik, weil sie die Inflationsentwicklung zu­letzt immer wieder stark unterschätzt haben. In den Juni-Prognosen hatten die Volkswirte in einem „Abwärtsszenario“ wegen des Ukraine-Kriegs eine Inflationsrate von 6,4% im nächsten Jahr veranschlagt. Teils scheint sich das nun zu bewahrheiten.

Was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, erwarten die Befragten auf Sicht von zwölf Monaten im Median eine Stagnation. Im Durchschnitt (Mean) sagen sie sogar ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 1,3% voraus. Zugleich erwarten sie ei­nen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,6% (Median) beziehungsweise auf 11,5% (Mean). Die Teilnehmer gehen zudem davon aus, dass die hohe Inflation weiter an ihren Einkommen zehren wird.

Die Verbraucher sind damit skeptischer als die EZB-Volkswirte. Für das Jahr 2023 erwarteten die Ökonomen der Notenbank zuletzt im Juni ein Wirtschaftswachstum von 2,1% und eine Arbeitslosenquote von 6,8%. In ihrem Abwärtsszenario hatten die EZB-Volkswirte für 2023 ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 1,7% vorausgesagt.

Die Euro-Wirtschaft hatte im zweiten Quartal mit einem unerwartet hohen Wachstum von 0,7% positiv überrascht. Zuletzt gab es aber einige negative Konjunktursignale, und die Sorge vor einer Rezession nimmt zu. Der Arbeitsmarkt zeigt sich davon bislang recht unbeeindruckt. Die Arbeitslosenquote verharrte im Juni auf dem Rekordtief von 6,6%.

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