China

Verkehrte Zinswelten

Chinas Zentralbank senkt die Zinsen – und der Staatschef warnt vor den Folgen höherer Zinsen anderswo. Es könnte sein, dass Xi mit den von der US-Zinspolitik bedrohten „Entwicklungsländern“ gar das eigene Land meint.

Verkehrte Zinswelten

Chinas Wirtschaftswachstum ist im vierten Quartal auf 4% gesunken und es fällt nicht ganz leicht, dies als gute oder schlechte Nachricht zu qualifizieren. Einerseits befindet man sich bei Raten unterhalb von 6% auf ziemlich ungewohntem Terrain, andererseits hatten die Analysten angesichts des zuletzt doch sehr deutlichen konjunkturellen Gegenwinds nur noch mit 3 bis 3,5% Wachstum gerechnet.

Chinas Konjunkturverfassung ist in jedem Fall schlecht genug, um die der Regierung gegenüber weisungsgebundene Zentralbank mit einer Zinslockerung auf den Plan zu rufen. Mit der Absenkung der Refinanzierungssätze für Geschäftsbanken in der kurzen und mittleren Frist um je 10 Basispunkte unterstreicht die People’s Bank of China, dass die Wirtschaft geldpolitische An­schubhilfe braucht, der man lange aus dem Weg gegangen ist.

Gleichzeitig läuft Chinas Wirtschaft längst nicht so schlecht, dass man auch schlecht über sie reden darf. Das unterstreicht die Rede von Staatschef Xi Jinping zur Eröffnung des virtuell abgehaltenen Weltwirtschaftsforums: „Die Grundlagen der chinesischen Wirtschaft sind unverändert stabil. Sie bleibt widerstandsfähig, weist genügend Potenzial auf und steht vor langfristig positiven Aussichten.“ Kein Grund zur Aufregung also. Die Weltwirtschaft kann sich weiterhin auf die chinesische Wachstumslokomotive verlassen.

Bezeichnenderweise verortet Xi in seiner Davos-Rede den eigentlichen Gefahrenherd für die Weltwirtschaft und globale Finanzstabilität in führenden westlichen Industrieländern, die Lieferkettenprobleme nicht in den Griff bekommen und wegen aufkeimender Inflationsgefahren geldpolitisch auf die Bremse treten. So warnt er plakativ vor einem zinspolitischen „U-Turn“, dessen negative Effekte vor allem Entwicklungsländer zu spüren bekämen. Direkter Adressat dieser Botschaft ist natürlich Washington beziehungsweise die Federal Reserve, von der man vermuten darf, dass sie ab März die Zinsen anheben wird.

China hat lang die amerikanische und europäische Niedrigzinspolitik samt quantitativer Lockerung als eine Art geldpolitische Kapitulationserklärung verhöhnt und mit Chinas straffer Geldpolitik als ein Ausdruck von Stärke kontrastiert. Nun, da die Fed sich tatsächlich von den Nullzinsen zu verabschieden ge­denkt, während Chinas Zentralbank bei der Zinspolitik auf konjunkturelle Schwächen Rücksicht nehmen muss, wird Peking offenbar doch ein wenig mulmig. Es könnte also sein, dass Xi mit den von der US-Zinspolitik be­drohten „Entwicklungsländern“ gar das eigene Land meint.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.