Vermurkste Rentendebatte
Eine Rentenreform, die diesen Namen auch verdient, ist sicherlich keine einfache Aufgabe für die Politik. Um zu ermessen, wie schwer ein solches Unterfangen sein kann, reicht ein Blick zu unseren französischen Nachbarn. Eine Rentenreform, die diesen Namen verdient, erfordert von der Politik auch Mut. Also just das, woran es der deutschen Politik in dieser Frage mangelt. Halbherzig, zu sehr darauf bedacht, bloß niemanden (zu sehr) zu verprellen – so ging die Politik in diesem Jahrhundert bislang zweimal in Sachen Rentengesetzgebung vor. Da war das Jahr 2002: Neben der staatlichen Rente und der betrieblich geförderten Altersvorsorge sollte die staatlich geförderte private Altersvorsorge für ausreichend Einkommen nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben sorgen – die Riester-Rente. Kohorten von Versicherungsaußendienstmitarbeitern marodierten daraufhin durch Betriebsversammlungen von Unternehmen und drängten mitunter mit zweifelhaften Mitteln zur Unterschrift, um endlich zum Vertragsabschluss zu kommen. Derzeit werden knapp elf Millionen Beschäftigte durch “Riester” gefördert – gerade mal ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland nutzt also die Zuschüsse zur privaten Altersvorsorge. Um die Riester-Rente wirklich auszukosten, muss man schon recht alt werden und häufig – je nach Vertragskonstrukt – ist die Riester-Rente auch nicht vererbbar; die Hinterbliebenen müssen schauen, wie sie klarkommen. Schlimmer aber ist, dass die Jahrgänge, die die Riester-Rente wirklich bräuchten, um die gesetzliche Rente aufzubessern, diese im Vergleich zu anderen Altersgruppen nur unterdurchschnittlich nutzen.Schon fünf Jahre nach ihrer Einführung war klar: Die Riester-Rente allein taugt nicht, um den Generationenvertrag zukunftsfest zu gestalten. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters musste her. Statt bis 65 sollen die Deutschen bis 67 Jahre arbeiten. Geschickt entschärfte die Politik das Problem: Auch heute noch gehen Beschäftigte mit 65 Jahren in Rente, nur eben erst mit 65 Jahren und neun Monaten. Erst 2031 – was alle Beschäftigten betrifft, die später als 1964 geboren sind -erreicht das Renteneintrittsalter dann 67 Jahre. Wer dachte 2007 schon an 2031? Nur hat die Rentenreform von 2007 schon 18 Jahre später (bevor die Rente mit 67 vollständig greift) ein Verfallsdatum: 2025 – dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Das Problem mit Politikern ist schlicht: Ihr Zeithorizont umfasst vier Jahre – bis zur nächsten Wahl. Das hemmt die Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Viel lieber verteilen die Parteien Wahlgeschenke an Rentner und solche, die es werden wollen. So beschäftigte sich die Bundesregierung bei Amtsantritt 2018 rentenpolitisch dann auch mit kleinteiligen Dingen – wie der Festschreibung der doppelten Haltelinie von Rentenniveau und Beitragssätzen bis 2025. Zudem pflegt jeder Koalitionspartner seine rentenpolitischen Lieblingsthemen: Die Union die Mütterrente, die SPD die Grundrente. Das alles sind Maßnahmen, die die Rentenkassen schwächen, dabei müssten sie so dringend gestärkt werden. Der Politik läuft die Zeit davon. Die Weichen für eine zukunftssichere Rentenversicherung müssen jetzt gestellt werden, auch wenn es unpopuläre Maßnahmen, wie eine längere Lebensarbeitszeit, erfordert. So darf man sehr gespannt sein über die politische Debatte, die nach der Vorlage des Berichts der “Kommission Verlässlicher Generationenvertrag” in Kürze geführt werden muss. Wenn sich die Kommission überhaupt auf eine gemeinsame Empfehlung einigen kann. Sollte wirklich, wie es nach außen dringt, die Frage des Renteneintrittsalters außen vor bleiben, wäre das ein Armutszeugnis. Die Wahrheit über eine längere Lebensarbeitszeit auszusprechen und in Gesetze zu gießen, ist sicherlich unbequem für die Bundesregierung. Aber es muss geschehen!——Von Archibald PreuschatNein, Rentenreformen sind nicht einfach. Aber die Bundesregierung muss endlich den Mut aufbringen, die Wahrheit zu sagen.——