Visco mahnt Italiens Regierung zu Reformen

Tria will Steuersenkungen und Investitionen

Visco mahnt Italiens Regierung zu Reformen

bl Rom – Banca-d’Italia-Gouverneur Ignazio Visco rief die italienische Regierung auf der Jahresversammlung des Bankenverbandes Associazione Bancaria Italiana (Abi) dazu auf, ihre Reformpolitik fortzusetzen: “Wenn es eine neue Krise gibt, sind wir heute viel anfälliger als vor zehn Jahren”, sagte er mit Blick auf die instabile Situation vieler Institute. Nach Ansicht des Notenbankchefs zeigten die Spread-Ausschläge der vergangenen Wochen, wie wichtig eine ausgewogene und vorsichtige Politik sei. Er mahnte die Banken, ihre Effizienz zu verbessern, die Einkommensquellen zu differenzieren und die Verwaltungskosten zu senken. Für zentral hält er auch die Reform des Volksbankensektors, die fortgesetzt werde und in der Bildung von drei großen Gruppen enden soll. Der Banca-d’Italia-Gouverneur bezeichnete weitere Reformen als unverzichtbar. Nur so könnten die Anfälligkeit der italienischen Wirtschaft reduziert, das Finanzsystem stabilisiert und die Spareinlagen der Italiener gesichert werden. Außerdem rief Visco dazu auf, die Bankenunion zu vollenden. Es brauche einheitliche europäische Regeln und eine vertiefte Kapitalmarktunion.Auch Wirtschaftsminister Giovanni Tria äußerte sich zum Thema Bankenunion. Seine Regierung prüfe die auf dem Tisch liegenden Vorschläge dazu ganz genau. Mit den vorliegenden Entwürfen habe Rom Probleme. Man könne die geplante Risikoteilung nicht an die Bedingung knüpfen, dass die Risiken vorher abgebaut werden müssen, sagte der Minister. Er wandte sich auch gegen Eingriffsmöglichkeiten europäischer Institutionen in nationale Haushalte. Gleichzeitig bekannte sich Tria erneut zu einer Schuldenreduzierung. “Nicht wegen Europa, sondern um das Vertrauen der Investoren und Finanzmärkte zu behalten”, sagte der 69-Jährige mit Hinweis auf den starken Anstieg des Spread zwischen deutschen und italienischen Bonds im Mai. Gleichzeitig will Tria jedoch Steuern senken, soziale Maßnahmen durchführen und die öffentlichen Investitionen ausweiten. Nur wenn die Wirtschaft des Landes wachse, sei man in der Lage, die Schulden abzubauen. Mit der EU-Kommission will er über mehr Flexibilität bei der Reduzierung der Schuldenlast von 131,8 % des Bruttoinlandsprodukts verhandeln. Auch die Vertreter der italienischen Banken gaben sich höchst besorgt über den Kurs der neuen Regierung in Rom. Antonio Patuelli, Präsident des Abi, forderte die Verantwortlichen bei der Jahresversammlung dazu auf, sich klar zu Europa zu bekennen. Das Land müsse stärker in Entscheidungen in Brüssel eingebunden werden, etwa durch einen EU-Kommissar mit Wirtschaftsbefugnissen. Andernfalls drohe dem Land eine Entwicklung wie in Argentinien. Sowohl Patuelli als auch Visco machten deutlich, dass sie die Prioritäten anders setzen würden als die neue Regierung. Patuelli erinnerte daran, dass die Banken des Landes einen hohen Preis zahlen mussten. “Bald wird Italien nur noch 100 unabhängige Institute zählen.” Die Banken hätten das Volumen ausfallgefährdeter Kredite seit 2015 von 200 auf 135 Mrd. Euro reduziert und die Zahl der Filialen von 35 000 (2008) auf 27 000 gesenkt.—– Wertberichtigt Seite 6