nh Schanghai – Chinas Volkskongress hat gestern das große Revirement der Führungsstrukturen mit der Verteilung zahlreicher wichtiger Minister- und Behördenposten abgesegnet. Vor allem engste Vertraute des in seiner Machtrolle erheblich gestärkten Präsidenten und Parteichefs Xi Jinping wurden – teilweise unter Umgehung von bisherigen Usancen und Altersregelungen – auf Schlüsselpositionen berufen. Gleichzeitig scheint sich China mit dem neuen Team diplomatisch so aufzustellen, um den neuen Herausforderungen angesichts drohender Handelsspannungen mit den USA Rechnung zu tragen. Neuer ZentralbankchefLiu He, der engste Wirtschaftsberater des Staatspräsidenten Xi Jinping, steigt zum Vizepremierminister mit Zuständigkeit für Wirtschaft und Finanzen auf. Der an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildete Liu hatte zuletzt bereits immer wichtigere Funktionen als Anführer von Handelsgesprächen mit den USA und Vertreter des Präsidenten auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum übernommen. Liu wird allerdings entgegen den Erwartungen nicht zusätzlich den Posten des Zentralbankgouverneurs übernehmen. Dieser geht an den bisherigen Vizegouverneur Yi Gang als einen anerkannten geld- und währungspolitischen Fachmann, der nun in die Fußstapfen seines einflussreichen Vorgängers Zhou Xiaochuan auf dem Chefposten der People’s Bank of China treten muss.Yi, der anders als sein Vorgänger Zhou in der politischen Hierarchie nur einen niedrigen Rang bekleidet, ist auf internationaler Bühne erfahren und hat zudem lange in den USA gelebt. Der in internationalen Zentralbankerkreisen hoch angesehene Yi dürfte damit vor allem auch als Außenminister der Zentralbank fungieren. Die tatsächliche Verantwortung für den geld- und währungspolitischen Kurs liegt aber künftig bei Liu, der die unter Xi zu den wirtschaftspolitischen Top-Prioritäten erkorene Finanzstabilitätskampagne verantwortet und in seiner neuen Funktion auch als eigentlicher Dienstherr der Zentralbank gilt.Unter den zahlreichen neuen Postenverteilungen sticht insbesondere die Berufung von Wang Qishan (69), dem engstem Weggefährten von Xi, als Chinas neuer Vizepräsident hervor. Bislang war dieser Posten stets von einem Mitglied des obersten Führungszirkels belegt worden. Wang, der in den vergangenen Jahren als Chef der Disziplinarkommission die große Antikorruptionskampagne unter Xi verantwortet hatte, war im Herbst altersbedingt aus dem Ständigen Ausschuss des Politbüros ausgeschieden. KrisenmanagerNun wird Wang über die Position des Vizepräsidenten erneut in eine entscheidende Führungsrolle gebracht und dürfte dabei vor allem als “Troubleshooter” und Top-Diplomat fungieren. Der in seinem früheren Wirken vor allem Finanz- und Wirtschaftsfachmann bekannte Wang dürfte seinem Ruf als besonders fähiger Krisenmanager folgend nun vor allem für die Pflege der strapazierten Beziehungen zu den USA eingesetzt werden. Zudem wurde Außenminister Wang Yi mit der Ablösung des bislang für Außenpolitik zuständigen Staatsrats Yang Jiechi in seiner Rolle als Top-Diplomat gestärkt.Xi selbst wurde bereits am Samstag ohne eine einzige Gegenstimme von den Delegierten für eine neue fünfjährige Amtszeit als Präsident bestätigt. Eine bereits zuvor auf dem Kongress durchgewinkte Verfassungsänderung sorgt nun dafür, dass die bisherige Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten auf zweimal fünf Jahre gestrichen worden ist, was ihm künftig eine zeitlich unbeschränkte Führungsrolle zusichert. Premierminister Li Keqiang, der in der formellen Hierarchie des Ständigen Ausschusses des Politbüros die Nummer 2 abgibt, ist auf dem Volkskongress ebenfalls für weitere fünf Jahre bestätigt worden, allerdings gilt sein Aktionsradius im Vergleich zu früheren Ministerpräsidenten als stärker eingeschränkt. Dazu trägt nicht nur die Rolle von Liu mit der Verantwortung für den Finanzsektor bei. Neben Liu wird auch der im Oktober neu in den Ständigen Ausschuss aufgerückte frühere Parteichef der Provinz Schanghai, Han Zheng, in eine Funktion als Vizepremierminister mit Exekutivrang treten. Zwar gibt es noch eine offizielle Benennung seiner Zuständigkeiten, doch wird der ebenfalls als besonders enger Vertraute von Xi geltende Politiker nun künftig die Aufgaben mit Li Keqiang bei der Führung des Staatsrates teilen und dürfte zunehmend auch wichtige diplomatische Funktionen im In- und Ausland übernehmen.—– Personen Seite 16