Von der Leyen schon auf Werbetour
Die designierte neue EU-Kommissionschefin und heutige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat in Straßburg erste Gespräche mit dem Europaparlament gesucht. Sie kündigte an, in zwei Wochen ihre Vision der EU vorzustellen. Bei der Wahl zum Parlamentspräsidenten setzte sich ein Italiener durch.ahe Brüssel – Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen hat nach ihrer überraschenden Nominierung zur Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission erste Gespräche mit den Europaabgeordneten in Straßburg gesucht. Das Parlament muss ihre Berufung in zwei Wochen noch billigen, was derzeit noch nicht als sicher gilt. Heute wird die Bundesverteidigungsministerin zunächst den amtierenden Kommissionschef Juncker in Brüssel treffen.Von der Leyen kündigte in Straßburg an, in den kommenden zwei Wochen intensive Gespräche mit den Europa-Abgeordneten zu führen und dann ihre Vision über die Zukunft der Europäischen Union in den nächsten fünf Jahren vorzustellen. Diese Vision müsse auf einem sicheren, tragfesten Fundament beruhen, das gestrickt sei aus dem Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament, sagte die CDU-Politikerin. Für sie sei jetzt ganz entscheidend, Einigkeit zu zeigen, und die gemeinsame Leidenschaft für Europa.Die Nominierung von der Leyens, die im Europäischen Rat mit Ausnahme der Enthaltung Deutschlands einstimmig erfolgte, hatte unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen etwa begrüßten die Nominierung noch einmal ausdrücklich. Betont wurde dabei vor allem die proeuropäische Haltung der Verteidigungsministerin und ihre Rolle bei der Stärkung der Sicherheit der drei EU- und Nato-Staaten. “Eine starke Kandidatur und eine gute Wahl, die Europa stärker machen wird!”, schrieb der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins auf Twitter.Scharfe Kritik kam dagegen vor allem von den deutschen Sozialdemokraten. Katarina Barley, die frühere Kabinettskollegin von der Leyens, verwies darauf, dass in ihrer Fraktion im EU-Parlament viele Abgeordnete gegen von der Leyen stimmen würden. Die deutsche Ministerin sei in Europa kaum bekannt. Auch der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich empört und forderte seine Partei zum Koalitionsbruch auf: Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verteidigungsministerin ohne Kabinettsbeschluss benannt hätte, sei dies “ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung – und ein Grund, die Regierung zu verlassen”, wurde der frühere Außenminister zitiert. Der Chef der SPD-Gruppe im EU-Parlament, Jens Geier, kritisierte, das Parlament dürfe sich die Personalvorschläge nicht vom Europäischen Rat diktieren lassen. “Für die Europa-SPD ist klar: Frau von der Leyen bekommt unsere Stimmen für ihre Wahl als Präsidentin der Kommission nicht.”Politische Analysten zweifelten allerdings, dass von der Leyen in zwei Wochen tatsächlich in Straßburg durchfallen wird. “Es wäre eine faustdicke Überraschung, wenn sie scheitern würde”, sagte der Europaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Nikolai von Ondarza, der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber wenn die Grünen geschlossen dagegen stimmen, kann es knapp werden.”Nach Meinung von Sven Giegold von den Grünen muss die Lehre aus dem Personalpoker der letzten Tage sein, dass es eine Reform des Vergabeverfahrens von EU-Spitzenposten gibt. “Das Spitzenkandidaten-Prinzip darf nicht begraben, sondern muss optimiert werden”, betonte er. Viel Vertrauen in europäische Entscheidungen sei verspielt worden. “Dieser Coup der Mitgliedsländer darf nicht zu einer dauerhaften Schwächung des EU-Parlaments führen.” Der Rat müsse jetzt auch transnationalen Listen zustimmen.Das EU-Parlament hat gestern zunächst den Italiener David Sassoli zu seinem neuen Präsidenten gewählt (siehe nebenstehendes Porträt). Der Sozialdemokrat soll das Parlament für die nächsten zweieinhalb Jahre führen. Er setzte sich in der Wahl unter anderem gegen die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Ska Keller, durch. Zuvor war auch der frühere bulgarische Ministerpräsident Sergei Stanischew im Gespräch gewesen. Das Parlament bekommt auch drei deutsche Vizepräsidenten. Katarina Barley, Rainer Wieland von der CDU sowie Nicola Beer (FDP). Das EU-Parlament hat insgesamt 14 Vizepräsidenten.