Europa

Von der Leyen und Lagarde feiern Kroatien

Kroatien hat zum 1. Januar den Euro eingeführt und ist zugleich der grenzkontrollfreien Schengen-Zone beigetreten. Europas Spitzenvertreter feiern das. Es gibt aber auch Skepsis – in Kroatien selbst und im Ausland.

Von der Leyen und Lagarde feiern Kroatien

ms Frankfurt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Präsidentin Christine Lagarde haben Kroatien zum Beitritt zur Euro-Währungsunion und zum Schengen-Abkommen gratuliert und dabei teils euphorische Töne angestimmt. Von der Leyen sprach am Wochenende von einem „Tag für die Geschichtsbücher“. Lagarde betonte, der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Währungsunion belege, dass der Euro nachhaltig „attraktiv“ sei.

Kroatien hat zum 1. Januar den Euro eingeführt und ist zugleich der grenzkontrollfreien Schengen-Zone beigetreten. Der Euro-Beitritt kommt zu einer Zeit großer weltwirtschaftlicher Verwerfungen, und einige Experten zweifeln die Euro-Reife des Landes an – obwohl es alle formalen Kriterien erfüllt. Der Schengen-Beitritt wiederum kommt, während Europa mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine zurechtkommen muss und das Thema Migration immer wieder für Streit zwischen den Euro-Staaten sorgt.

EU-Kommissionschefin von der Leyen zeigte sich nun aber sehr positiv gestimmt. „Binnengrenzen ohne Kontrollen überschreiten zu können, ist eine wichtige Errungenschaft, grenzüberschreitend mit derselben EU-Währung bezahlen zu können, eine andere“, sagte sie bei einem Besuch an einem kroatischen Grenzübergang. Als erstes EU-Mitglied ist das 3,9 Millionen Einwohner zählende Land am selben Tag sowohl der Eurozone als auch dem Schengenraum beigetreten. 2013 war die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens Teil der EU geworden.

EZB-Präsidentin Lagarde sagte: „Ich heiße Kroatien in der Euro-Familie willkommen und freue mich, dass es nun im EZB-Rat in Frankfurt am Main vertreten ist.“ Kroatien habe „hart gearbeitet, um das 20. Mitglied des Euroraums zu werden – und die harte Arbeit hat sich gelohnt“. „Ich gratuliere der kroatischen Bevölkerung“, sagte Lagarde. „Dieser Beitritt zeigt, dass der Euro eine attraktive Währung ist, die seinen Mitgliedsländern Stabilität bringt.“

In Kroatien ruft der Euro-Beitritt allerdings Umfragen zufolge geteilte Reaktionen hervor. Im April befürworteten 55% der Bürger den Euro, 42% lehnten ihn ab. Viele Kroaten rechnen damit, dass Handel und Dienstleister bei der Umrechnung aufrunden werden, wo sie nur können – und dass das die ohnehin hohe Inflation weiter befeuert. Im November hatte die Teuerung in Kroatien bei 13,5% gelegen.

Vor Kroatien war 2015 Litauen der Eurozone beigetreten. Bulgarien möchte 2024 beitreten. In Brüssel und andernorts gibt es jedoch verbreitete Zweifel daran, dass die Wirtschaft des ärmsten EU-Landes und sein von Skandalen geplagtes Bankensystem reif dafür sind. Die EU-Mitglieder Tschechien, Ungarn, Polen und Schweden machen keine Anstalten, den Euro einzuführen, obwohl dies eigentlich Bedingung für den Beitritt zur Europäischen Union ist. Dänemark hatte sich eine Ausnahmeregelung erkämpft.

Der Beitritt Kroatiens zum Euroraum hat Folgen für die Rotation der Stimmrechte im EZB-Rat. Er besteht aus den sechs EZB-Direktoriumsmitgliedern sowie den nun 20 nationalen Zentralbankchefs und entscheidet über die Geldpolitik im Euroraum. Gemäß dem neuen Rotationsmodus ist Bundesbankpräsident Joachim Nagel in diesem Jahr in den Monaten April und September nicht stimmberechtigt.

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