Von Katar über Russland bis China
Serie: Countdown zur Europawahl (Teil 6)
Von Katar über Russland bis China
EU-Parlament wird immer öfter Ziel versuchter Einflussnahme von außen
fed Frankfurt
Versuche, sich von außen in die Entscheidungsfindung des EU-Parlaments einzumischen, gibt es schon lange. Neu ist jedoch, dass es nicht nur Industrieverbände oder andere organisierte Interessen sind, sondern auch autokratisch geführte Regierungen aus der ganzen Welt, die auf unlautere Weise versuchen, Einfluss auf Europas Co-Gesetzgeber zu gewinnen.
Noch gut in Erinnerung ist, wie vor zwei Jahren „Katargate“ das EU-Parlament erschütterte. Das Emirat wollte sich durch Bestechung von Europaabgeordneten eine wohlwollendere Bewertung durch die Europäische Union erkaufen. Im Zusammenhang mit „Katargate“ wurden auch Ermittlungen zu versuchten Einmischungen Mauretaniens und Marokkos geführt. Die rechtlichen Auseinandersetzungen infolge des Skandals halten noch an. Einige Beschuldigte haben gestanden, andere sehen sich auch heute noch zu Unrecht an den Pranger gestellt.
„Voice of Europe“ im Fokus
Auch Einflussnahmeversuche Russlands beschäftigten und beschäftigen Ermittler und Behörden. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, vom prorussischen Propagandanetzwerk „Voice of Europe“ Geld entgegengenommen zu haben. Bystron weist diese Anschuldigungen zurück. Obwohl Mitglied des Bundestags, hat auch er einen engen Bezug zum EU-Parlament. Denn er kandidiert für die AfD auf dem sicheren Platz 2 bei der Europawahl.
Vergangenen Monat erreichte die Debatte um unzulässige Einmischungen ausländischer Staaten schließlich China. Jian Guo, der seinerzeit im EU-Parlament akkreditierte Assistent des AfD-Politikers Maximilian Krah, wurde von deutschen Behörden verhaftet. Der Vorwurf gegen den Assistenten lautet auf geheimdienstliche Tätigkeiten für die Volksrepublik. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat im April zugleich Vorermittlungsverfahren gegen Krah eingeleitet, bei denen es um mögliche Geldzahlungen aus dem Ausland geht.
„Ethik-Gremium“ umstritten
Eine sichtbare Konsequenz, die das EU-Parlament in Reaktion vor allem auf „Katargate“ getroffen hat und die im Zusammenhang mit den Enthüllungen der vergangenen Wochen an Bedeutung gewonnen hat, ist die Einrichtung eines „Ethik-Gremiums“. Vertreter der daran teilnehmenden Institutionen (EU-Parlament, EU-Kommission, EZB, EU-Rechnungshof und EU-Wirtschafts- und Sozialausschuss) sollen in den nächsten Monaten gemeinsame Mindeststandards beschließen, an die sich dann alle beteiligten Gremien halten müssen – etwa zu Nebentätigkeiten, Anschlussjobs oder Treffen mit Lobbyisten. Allerdings ist die Ethik-Behörde umstritten. Weder Ministerrat noch Europäischer Rat (EU-Gipfel) wollen sich den Vorgaben unterwerfen. Und die Konservativen, die größte Fraktion des EU-Parlaments, haben die Einrichtung abgelehnt. Sie bemängeln, dass das Gremium auf Basis „auslegungsbedürftiger moralischer Regeln“ entscheide, statt klare Standards zu setzen.
Deutlich geschlossener zeigte sich das EU-Parlament bei seiner letzten Plenartagung der laufenden Amtsperiode Ende April. Eine dort mit breiter Mehrheit angenommene Entschließung schlägt konkrete Schritte vor, um die Abwehrkräfte des Parlaments zu stärken – zum Beispiel gründliche interne Untersuchungen zur Bewertung etwaiger Einmischungsversuche oder eine verpflichtende Sicherheitsschulung aller Abgeordneten und ihrer Assistenten. Ohnehin solle das gesamte Personal verstärkt überprüft werden.
Ruf nach Einbezug in Sanktionen
Die Europaabgeordneten fordern in der Entschließung den Rat, also das Gremium der nationalen Regierungen, auf, die von der russischen Regierung unterstützten Medien sowie deren Führungspersonal, das für Propaganda und Desinformationskampagnen verantwortlich ist, in das nächste Sanktionspaket gegen Russland einzubeziehen. Bedauert wird, dass der Propagandasender „Voice of Europe“ seine Tätigkeit von Kasachstan aus wieder aufnehmen konnte. Die EU-Mitgliedstaaten werden gedrängt, dafür zu sorgen, dass der Sender in der EU nicht zugänglich ist. Dass sich Europas Mitgliedstaaten mit der Umsetzung tatsächlich schwertun, führte ein Journalist kürzlich im Presseraum des Hauptgebäudes der EU-Kommission während des täglichen Pressebriefings vor. Ausgerechnet im Berlaymont, dem Herz der EU-Kommission, hat man nämlich Zugang zu dem Sender, da Belgien dies noch nicht unterbunden hat.
Zuletzt erschienen: Rätselraten über Rechtsaußen (25.5.) Der EU-Währungsausschuss hat seinen Nimbus verloren (22.5.) Die EU – von ihren Bürgern geliebt und geschmäht (18.5.)