Vorläufiges Ende der Auftragsflut
ba Frankfurt
Deutlich weniger Großaufträge und eine geringere Auslandsnachfrage haben der deutschen Industrie einen Auftragseinbruch im Oktober beschert. Ökonomen führen den zweiten Rückgang in drei Monaten nicht nur auf das aktuell wieder erhöhte Pandemiegeschehen zurück, sondern auch auf auslaufende Nachholeffekte sowie ausbleibende Bestellungen mangels Erfolgsaussicht oder wegen der zu erwartenden, langen Lieferzeiten. Die immer noch rekordhohen Auftragsbestände sorgen für Zuversicht, da bei Auflösung der Logistikprobleme die Produktion wieder entsprechend anspringt. Für Oktober sind es die bereits vom Automobilverband VDA gemeldeten Produktionszahlen sowie der Industrieumsatz, die für eine steigende Gesamtfertigung des verarbeitenden Gewerbes sprechen. Die entsprechenden Daten veröffentlicht das Statistische Bundesamt (Destatis) am heutigen Dienstag.
Im Oktober sammelte die Industrie laut Destatis 6,9% weniger Bestellungen ein als im Vormonat. Ökonomen hatten ein Minus von 0,5% auf dem Zettel, nachdem im September die Orders um revidiert 1,8 (zuvor: 1,3)% zugelegt hatten. Erneut waren es die volatilen Großaufträge, die für die kräftige Bewegung sorgten: Bleiben diese unberücksichtigt, betrug das Minus 1,8% (siehe Grafik). „Die Entwicklung sollte vor dem Hintergrund der zurzeit hohen Volatilität des Index und seiner Komponenten nicht überinterpretiert werden“, mahnte denn auch das Bundeswirtschaftsministerium. Allerdings bedeute der starke Rückgang für die konjunkturellen Aussichten einen starken Dämpfer, denn seit dem zur Jahresmitte 2021 erreichten Allzeithoch habe der Index mehr als 16 Punkte verloren. Im Vergleich zum Oktober 2020 misst Destatis ein Minus von 1,0% und damit erstmals seit September 2020 einen Rückgang auf Jahressicht. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau von Februar 2020 liegt das Ordervolumen 1,7% höher.
Als interessant wertet LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch, „dass es im Inland aufwärts ging, während wir für die Auslandsaufträge einen wirklich tiefen Einbruch hatten“. Extrem schwach zeigte sich insbesondere die Nachfrage aus dem Ausland außerhalb des Euroraums – Destatis meldet ein Minus von 18,1% zum Vormonat nach dem Zuwachs von 15,7% im September. Der Ausschlag beruht auf Großaufträgen im Bereich Maschinenbau, wie Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen ergänzt. Während die Inlandsaufträge 3,4% zulegten, gingen aus dem Ausland insgesamt 13,1% weniger Bestellungen ein. Es zeige sich nun „mehr und mehr, dass der Auftragsboom der Industrie zumindest vorerst zu Ende ist“, mahnt Solveen. Dies ändere aber nichts am Aufwärtspotenzial der Produktion. So legten die realen Industrieumsätze im Oktober um 3,6% zu nach revidiert –0,1 (zuvor –0,3)% im September. Allerdings „dürfte das sich für das vierte Quartal abzeichnende Plus bei der Industrieproduktion kaum ausreichen, um den pandemiebedingten Umsatzeinbruch in einigen Dienstleistungssektoren auszugleichen“, betonte Solveen. Ökonomen erwarten für den Schlussabschnitt bestenfalls eine Stagnation, wenn nicht gar ein leichtes Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts.
Anleger werden skeptischer
Bedeutend skeptischer geworden sind auch die monatlich vom Analysehaus Sentix befragten 1164 institutionellen und privaten Anleger. In Deutschland belaste das 2G-Chaos die Wirtschaft – stärker als die vorherigen Lockdowns. Das Sentix-Barometer fiel das fünfte Mal in Folge, auf nun 14,4 Punkte, den niedrigsten Stand seit März 2021. Der Gesamtindex für Euroland gab ebenfalls nach, auf 13,5 Zähler, den Tiefststand seit April 2021. Sowohl für Deutschland als auch den Euroraum insgesamt wurde die aktuelle Lage um einiges schwächer eingeschätzt als im Vormonat, wohingegen die Erwartungskomponente stabil blieb. Für Österreich machte sich wegen weitreichender Beschränkungen hingegen ein regelrechter Lockdown-Blues breit, so Sentix. Der Alpenrepublik drohe die Rezession. Die Weltwirtschaft insgesamt befinde sich nach wie vor in einem konjunkturellen Abkühlungsprozess, der in den meisten Regionen geordnet verlaufe.