DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE

Wachstumsdaten allein verzerren das Wohlstandsbild

Durchschnittsverdiener auf dem Niveau von 1997

Wachstumsdaten allein verzerren das Wohlstandsbild

Von Peter De Thier, WashingtonInwieweit die Zinswende durch das gefestigte Wirtschaftswachstum gerechtfertigt ist, darüber streiten sich in den USA die Ökonomen. Das von der Fed unterstellte “solide Wachstum” trügt nämlich, weil es die Lage beschönigt. Zwar werden Monat für Monat viele neue Jobs geschaffen, und die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 5 %. Rechnet man jedoch etwas realistischer und nimmt etwa die Zwangsteilzeiter und die Enttäuschten, die sich mangels Erfolg nicht mehr arbeitslos melden, hinzu, kommt man auf bis zu 10 %.Das “Wachstum” der Volkswirtschaft kommt auch bei den wenigsten Privathaushalten an. Nach Angaben des Census Bureau erreichte das inflationsbereinigte durchschnittliche Haushaltseinkommen 1999 einen historischen Höchststand und ist mittlerweile wieder auf das Niveau von 1997 gesunken. Rapide steigen indes die Einkommen der ohnehin schon gut verdienenden Menschen. Als Hauptgrund führen Ökonomen Globalisierung und Digitalisierung an. Sie hätten dazu geführt, dass die Bindung der Unternehmen an ihre Standorte der Vergangenheit angehört, meint James Fuller, Ökonom an der Harvard-University. Der Wettbewerb um Jobs mit solider Bezahlung ist global geworden. Die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer wurde schwächer, Gewerkschaften verloren an Relevanz und die Mittelklasse schrumpft.Bekämpft wurde diese Entwicklung mit Flickwerk: Um die Illusion des Wohlstands wahren zu können, ermöglichten Politik und Banken der Mittelklasse, ihren Lebensstandard auf Pump zu finanzieren – bis die Finanzkrise die Blase zerplatzen ließ. Die Bemühungen Präsident Barack Obamas und der G 20, verstärkt in Infrastruktur zu investieren, halten Fuller und andere Volkswirte für die überfällige politische Wende.