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Wahltaktik lässt Chefsessel von Italiens Notenbank wackeln

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 25.10.2017 Die scheinbar klare Nachfolgeregelung an der Spitze der Banca d'Italia ist kurz vor dem Ende des Sechs-Jahres-Mandats Ende Oktober von Ignazio Visco in Frage gestellt worden: Matteo...

Wahltaktik lässt Chefsessel von Italiens Notenbank wackeln

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDie scheinbar klare Nachfolgeregelung an der Spitze der Banca d’Italia ist kurz vor dem Ende des Sechs-Jahres-Mandats Ende Oktober von Ignazio Visco in Frage gestellt worden: Matteo Renzi, Chef der Regierungspartei Partito Democratico (PD), will den Notenbankgouverneur loswerden. Am kommenden Freitag steht die Nominierung des neuen Zentralbankchefs auf der Tagesordnung des Ministerrats. Bislang herrschte die Ansicht vor, dass Visco weitere sechs Jahre im Amt bleiben werde. Laut Verfassung obliegt es Staatspräsident Sergio Mattarella, auf Empfehlung von Regierungschef Paolo Gentiloni den Visco-Nachfolger zu ernennen. Die Frage heißt nun: Wird sich Gentiloni, seit je als enger Verbündeter Renzis bekannt, dessen Wünschen widersetzen? Und wird Mattarella auf die Empfehlung des Regierungschefs hören?Der Staatspräsident trat bislang ebenso wie der Regierungschef für eine Kontinuität bei der Zentralbankführung ein. Auch ist Renzis Alleingang in puncto Banca d’Italia von Regierungschef Gentiloni und von Staatspräsident Mattarella kühl abgeblockt worden. Die Autonomie der Zentralbank stehe auf dem Spiel, ist aus Regierungskreisen zu hören.Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Visco weiter Präsident der Banca d’Italia bleibt. Denn die in letzter Minute gestellte Forderung Renzis, Visco abzusetzen, hat in der Politik nur wenig Anhänger gefunden. Nicht nur in der Regierungspartei selbst, auch in der Opposition, etwa in Silvio Berlusconis Forza Italia, wird Kritik laut. Es scheint, dass der ehemalige “Verschrotter der alten Eliten” und Ex-Regierungschef Renzi mit seinem Angriff auf Visco ein Eigentor geschossen hat. Nicht nur der Zeitpunkt, auch die Art seines Angriffs ist fehl am Platz. Vorwürfe nicht unbegründetDabei sind Renzis Vorwürfe nicht unbegründet: So habe Visco als Zentralbankchef die Kontrollpflicht über die Banken nicht im erwarteten Ausmaß wahrgenommen, lautet der Vorwurf. Etwa bei den kleineren mittelitalienischen Banken, wie Banca Etruria, oder aber bei den größeren norditalienischen Volksbanken, wie Popolare di Vicenza. Diese konnten nur dank staatlicher Mittel, mit Hilfe des Bankenrettungsfonds und den Interventionen privater Banken wie Intesa Sanpaolo oder Ubi Banca gerettet werden. Renzi will kurz vor den Wahlen geprellte Sparer für sich gewinnen und dieses wahlpolitisch wichtige Argument nicht der Protestpartei M5S allein überlassen. Die Banken im Allgemeinen und die Banca d’Italia im Besonderen sind im heutigen Italien nicht nur ein heikles, sondern auch ein äußerst unpopuläres Thema.Tatsache ist, dass die Banca d’Italia keineswegs der einzige Schuldige an der inzwischen überwundenen Systemkrise im Kreditsektor ist. Der erste Kardinalfehler wurde bereits 2008 begangen, als der damalige Banca-d’Italia-Chef und heutige EZB-Präsident Mario Draghi den Verkauf der hochverschuldeten Antonveneta Bank zu einem nicht marktgerechten Preis von 9 Mrd. Euro von der spanischen Santander Bank an Monte dei Paschi di Siena genehmigte. Drei Jahre zuvor hatte Santander die Bank aus Venetien zu rund 6 Mrd. Euro erworben. Als Nächstes hatte es dann 2011 der damalige Regierungschef Mario Monti versäumt, den bereits kriselnden Kreditsektor zu unterstützen. Während Deutschland und Spanien damals ihre Banken mit Milliarden Euro an staatlichen Mitteln unterstützten, hatte Italien die sich anbahnende Bankenkrise kurzerhand ignoriert. “Wir hatten schwierigere Probleme zu lösen, Italien stand kurz vor dem Bankrott”, rechtfertigte sich Monti später. Zudem fehlten der Zentralbank teilweise die nötigen Instrumente, um zu intervenieren. Auch verhinderte der lokal- und nationalpolitische Einfluss auf manche Banken ein strengeres Vorgehen der Banca d’Italia. Zentralbankchef Visco hat der jüngst eingesetzten Bankenkommission eine Rechtfertigung auf über 4 000 Seiten zukommen lassen und die einzelnen Kontrollen im Detail erklärt. Diese Dokumentation wird derzeit von der Bankenkommission überprüft. Nicht nur die Banca d’Italia, auch andere Aufsichtsbehörden wie etwa die Börsenaufsicht Consob stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Das Mandat von Consob-Präsident Giuseppe Vegas läuft am Jahresende ab – ein weiteres heißes Eisen für die Regierung. Nur ein FaktorVisco aber die alleinige Schuld an der prekären Bankensituation in die Schuhe zu schieben, ist übertrieben. Zweifellos zählen die Banken mit ihrer geringen Rentabilität und dem Berg an faulen Krediten ebenso wie die übermäßig hohen Staatsschulden zu den größten Problemen des Landes. Ausschlaggebend für die Non Performing Loans von fast 300 Mrd. Euro sind aber auch die Justiz mit ihren langwierigen Verfahren, die Fragmentierung in der Unternehmenslandschaft mit der hohen Anzahl von Kleinunternehmen und die übermäßig hohe Abhängigkeit bei der Fremdfinanzierung des Bankensektors. Solange die internationalen Finanzmärkte darauf vertrauen, dass Italien die Sache in den Griff bekommt, ist eine Lösung möglich. Kein Nachfolger in SichtBisher war dieses Vertrauen vorhanden, nicht zuletzt dank des billigen Geldes der EZB. Geht dieses Vertrauen verloren, droht Italien eine Krise. Ex-Regierungschef Matteo Renzi spielt mit dem Feuer. Sein unerwarteter Misstrauensantrag gegen den Banca-d’Italia-Chef schafft ein Klima der Unsicherheit, das fatale Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben könnte. Es ist offensichtlich, dass der Schachzug gegen Visco aus wahltaktischen Gründen erfolgte. Renzi will die Sparer und nicht die Banken schützen, begründete er sein Vorgehen. Das kommt besser an. Inzwischen scheint der PD-Parteisekretär erkannt zu haben, dass der Angriff auf Visco für ihn zum Bumerang werden könnte, und hat den Rückzug angetreten. Er werde sich einer Ernennung Viscos nicht widersetzen, verspricht er. Zudem betont er, dass es ihm nicht um einen Sündenbock in Person des Notenbankchefs gehe, sondern um die Strategie der Banca d’Italia. Ein Gegenvorschlag, wer Visco ersetzen könnte, wurde bislang weder von ihm noch von anderen Parteien präsentiert. Sicher scheint, dass der Nachfolger aus internen Kreisen der Banca d’Italia stammen wird, sollte es zu einem Führungswechsel kommen.