Weidmann bremst in Debatte über EU-Fonds
ms Frankfurt
Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht derzeit keinen Bedarf für eine Aufstockung des 750 Mrd. Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds, mit dem die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gemindert werden sollen. Das sagte Weidmann jetzt im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). Er stellte sich zudem gegen Vergleiche mit den massiven fiskalischen Konjunkturhilfen in den USA – und ließ dabei auch Kritik an den US-Plänen erkennen.
Zuletzt hatten einige EZB-Granden die Debatte über zusätzliche Konjunkturhilfen durch die Euro-Staaten angeheizt. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel etwa hatte gesagt, dass die Staaten womöglich noch mehr Geld ausgeben müssten als bislang beschlossen (vgl. BZ vom 18. März). Viele Ökonomen fordern seit längerem mehr Geld und kritisieren, dass Euroland gegenüber den USA und Japan hinterherhinke. Die Staaten hatten den Wiederaufbaufonds vergangenen Sommer aufgelegt. Die Pandemie hält nun aber viel länger an als damals gedacht.
„Ich glaube nicht, dass das Volumen unserer Mittel eine bedeutende Begrenzung darstellt“, sagte Weidmann nun. Die EU-Maßnahmen müssten auch zusammen mit den nationalen Fiskalhilfen gesehen werden. Mit Blick auf die USA sagte er: „Der Vergleich zu den USA kann aus meiner Sicht nicht als Referenz dienen. Wir müssen Antworten finden, die auf unsere Situation zugeschnitten sind.“ Die USA haben gerade ein 1,9-Bill.-Dollar-Konjunkturprogramm verabschiedet und bereiten nun ein Infrastrukturprogramm von bis zu 2,25 Bill. Dollar vor. Weidmann sagte, dass das den Auslastungsgrad der US-Wirtschaft weit über die normale Auslastung hinaus anheben werde. Das ist ein Grund, warum viele Ökonomen Kritik üben und vor einer Überhitzung warnen.
Zu der Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen den EU-Hilfsfonds sagte Weidmann, er sei optimistisch, dass der EU-Fonds am Ende in allen Ländern ratifiziert werden könne. Deutschland sei nicht das einzige Land, das noch nicht ratifiziert habe. Karlsruhe hat die Ausfertigung des nötigen Gesetzes vorerst gestoppt. Hintergrund ist eine Klage, die sich gegen die vorgesehene Schuldenaufnahme in großem Stil durch die EU-Kommission wendet. Er habe den Kurs des Verfassungsgerichts in den EZB-Verfahren der Vergangenheit nicht als europafeindlich wahrgenommen, so Weidmann.
Mit Blick auf die Geldpolitik untermauerte Weidmann erneut seine Forderung, dass insbesondere das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP nicht zum Dauerzustand werden dürfe. Sollten es die Preisaussichten erfordern, müsse der EZB-Rat die sehr expansive Geldpolitik insgesamt zurückfahren. „Dann darf es nicht an Entschlossenheit fehlen, auch wenn mit den Zinsen dann die Finanzierungskosten der Staaten steigen“, sagte Weidmann.
Der EZB-Rat hat angesichts gestiegener Staatsanleiherenditen indes unlängst sogar beschlossen, die PEPP-Käufe vorübergehend deutlich zu beschleunigen. Das ist aber umstritten. Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing hatte jüngst im Interview der Börsen-Zeitung kritisiert, die EZB verstärke damit den Eindruck, dass sich die Staaten auf dauerhaft niedrige Zinsen verlassen könnten (vgl. BZ vom 24. März). Die fiskalische Dominanz über die Geldpolitik sei bereits Realität und die EZB nähere sich der Grenze zur monetären Staatsfinanzierung, sagte Issing.
Lane verteidigt EZB-Politik
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane verteidigte dagegen am Donnerstag den EZB-Kurs. „Der mittelfristige Ausblick für die Inflation bleibt verhalten,“ schrieb er in einem EZB-Blog. Die Kluft zum EZB-Inflationsziel von knapp 2% zu schließen werde die Agenda für den EZB-Rat in den kommenden Jahren bestimmen. Die Euro-Inflation ist im März auf 1,3% gesprungen und könnte im Jahresverlauf über 2% steigen. Die EZB sieht das aber als temporär an.